#9 Cyber Threat Intelligence – Snake Oil oder nicht?

Was ist Cyber Threat Intelligence? Nur Marketing-Buzz oder sinnvoll? Spätestens seit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine spielt Cyber Threat Intelligence Sharing im Cyber-Konflikt eine zentrale Rolle und viele Staaten bauen gerade Kapazitäten auf, um damit umzugehen. Zeit also, das mal genauer anzusehen. Zusammen mit Matthias von Percepticon gehen wir Fragen rund um Cyber Threat Intelligence nach. Was ist das? Wo kommt das her? Wer braucht das? Ist das Schlangenöl? Wir schauen uns verschiedene Threat Intelligence Produkttypen an und reden über einige bemerkenswerte Reports wie APT1 und GhostNet. Zudem geht es um Threat Intelligence Konzepte wie die Cyber Kill Chain und das MITRE ATT&CK Framework. Am Ende diskutieren wir noch die Frage, wie relevant das Thema für Deutschland ist, insbesondere beim Thema Ransomware und Kommunen. Kurzum, eine gute Sache!

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Armchair Investigators – ein Dialog über Malware, Cybercrime und Cyberspionage. Mit Lars Wallenborn und Christian Dietrich.

00:00:20 Christian Dietrich: Hallo, liebe Cyber Freunde. Mein Name ist Chris, und ich bin Professor für Cybersicherheit an der westfälischen Hochschule. 

00:00:28 Lars Wallenborn: Und hallo, ich bin Lars. Ich arbeite als Softwareentwickler und Reverse Engineer bei Crowdstrike.

0:00:34 Christian Dietrich: Wir sitzen hier heute zusammen mit Matthias, und Matthias, du machst ja auch einen eigenen Podcast.

00:00:39 Matthias Schulze: Ja, hallo, danke für die Einladung. Mein Name ist Matthias Schulze, ich betreibe den percepticon.de Podcast. Ein Blog-Podcast über die dunkle Seite der Digitalisierung. Also Spionage, Hacker, Sabotage, Desinformation, Cyberkonflikte und allerlei mehr. Vielen Dank für die Einladung. Das ist heute eine kollaborative Folge zwischen diesen beiden Podcasts. Wir dachten, wir tun unsere Köpfe zusammen und machen ein super Thema: Nämlich Cyber Threat Intelligence.

00:01:05 Christian Dietrich: Ja, das Thema Cyber Threat Intelligence befindet sich halt ganz schön so in dem Schnittbereich zwischen Informatik und Politik, beziehungsweise Sozialwissenschaften. Jetzt sind wir hier drei Leute versammelt, die eben genau aus verschiedenen Bereichen hier kommen. Nämlich einmal eher aus dem eher Technik-orientierten, informatischen Bereich, und zum anderen mit dir Matthias, jemand, der Spezialist aus den Sozialwissenschaften ist, wenn ich das so richtig wiedergegeben habe.

00:01:30 Matthias Schulze: Das Beste aus allen Welten und gewissermaßen auch noch die perfekte Trias aus Privatwirtschaft und öffentlichem Sektor, wenn man das so nennen will, oder?

00:01:39 Lars Wallenborn: Genau. Also, ich habe mich jetzt hier anscheinend mit zwei Akademikern in so einen Zoomcall gesetzt, und wir besprechen das jetzt so rein theoretisch. Und dadurch … ich hoffe halt, dass ich dann irgendwie so eine Hands-on Perspektive auf die Sache irgendwie liefern kann. Aber diese ganzen verschiedenen Modelle, die ihr schon in dieses Google Doc geschrieben habt, die sind mir teilweise nicht bekannt. Das sage ich direkt mal vorne weg.

00:01:58 Christian Dietrich: Vielleicht versuchen wir kurz mal zu beleuchten, warum macht es Sinn, sich jetzt mit Cyber Threat Intelligence zu beschäftigen?

00:02:05 Matthias Schulze: Ja, wir haben ja im Prinzip … seit dem Ukraine Krieg spielen Cyber Operationen ja eine gewisse Rolle. Also es wird zumindest viel drüber gesprochen. Und wenn man so schaut, was ist so die die Lehre aus diesem digitalen Konflikt, ist man ganz schnell dabei zu sagen: Okay, wir müssen Threat Intelligence Sharing machen unter den NATO-Staaten, mit der Ukraine zusammen. Wir müssen also irgendwie Informationen austauschen. Und was das eigentlich ist und was es damit auf sich hat und wie das funktioniert, das war im Prinzip die Frage, oder ist die Frage, mit der wir uns heute beschäftigen wollen.

00:02:38 Lars Wallenborn: Und wenn ich dazu irgendwie so gefragt werde, irgendwie so auf Konferenzen, was ist überhaupt Cyber Threat Intelligence und so, oder wenn ich mich irgendwie dazu hinreißen lasse und versuche, das zu definieren, dann steige ich gerne damit ein zu sagen, das ist nur ein Marketingbegriff. Also das entwaffnet das Gegenüber dann meistens schon mal sehr. Weil es das auf jeden Fall auch ist. Also ich denke mal, in den letzten – weiß ich nicht – eigentlich zehn Jahren, aber mindestens fünf oder so, haben sich viele Cyber Unternehmen das auch mit auf die Fahne geschrieben, dass sie jetzt Cyber Threat Intelligence machen und so. Und ja, das ist halt so, wie irgendwann mal wieder so ein neuer Marketingbegriff kommt. Wie – weiß ich nicht, Endpoint Protection, oder Advanced Incident Response oder was auch immer – ist halt irgendwann Cyber Threat Intelligence auch so ein Begriff gewesen. Also, das ist halt quasi die provokante These, mit der wir starten könnten.

00:03:23 Matthias Schulze: Ja, ich habe das auch in einem Artikel gelesen, so von wegen, die Cyber Sicherheitsindustrie ist voller Schlangenöl, Snake Oil. Und jetzt ist also die Frage, ist Cyber Threat Intelligence auch nur Schlangenöl oder der neueste Marketing Trick, den man jetzt unbedingt verkaufen oder haben muss? Oder ist vielleicht wirklich was dahinter? Vielleicht ist es für den Anfang aber erst mal sinnvoll – bevor wir über die Frage diskutieren, ob das Schlangenöl ist – mal kurz zu erklären, was das ist. Chris, magst du da vielleicht einsteigen?

00:03:48 Christian Dietrich: Ja, ich würde Cyber Threat Intelligence als Wissen über die Bedrohungs-Landschaft, insbesondere so in dieser Cyber Domäne, also maßgeblich vielleicht Internet, bezeichnen, aber auch Wissen über konkrete Angriffe und konkrete Akteure. Was meint ihr dazu?

00:04:05 Lars Wallenborn: Ja, also Wissen, finde ich, trifft es ganz gut. Ich würde vielleicht sogar ein Schritt weitergehen und sagen, es ist ein Wissensvorsprung. Also, wenn man so sagt, ich konsumiere irgendwie Cyber Threat Intelligence, was bringt mir das überhaupt? Man versucht dann halt einfach Sachen zu lesen über die Angreifer, und was die so machen und wie die das so machen, und idealerweise auch, was man dagegen tun kann, wenn man sich dagegen wehren möchte.

00:04:26 Matthias Schulze: Ich habe in der Vorbereitung so ein bisschen recherchiert und mir natürlich auch die ganzen Anbieter angeschaut, und bin da auf eine Definition von der Firma Dragos gekommen. Und die haben so schön geschrieben: Threat Intelligence ist Wissen – das habt ihr auch schon gesagt – und ein analytischer Prozess, der hypothesengeleitet und evidenzbasiert sozusagen Analyse von verschiedenen Datenquellen macht, um Erkenntnisse über schadhafte Akteure und den Gegner sozusagen zu bekommen. Um eben einen Vorsprung zu haben oder ihm ein bisschen voraus zu sein. Um sozusagen die Angreifer-Verteidiger-Dynamik ein bisschen umzudrehen. Weil normalerweise sagt man immer, die Angreifer haben viele Vorteile. Und Cyber Threat Intelligence versucht, die Verteidigungsseite zu befähigen, um Angriffe ein bisschen vorweg zu nehmen.

00:05:11 Lars Wallenborn: Ich könnte nicht mehr zustimmen. Sehr saubere Definition, finde ich.

00:05:16 Christian Dietrich: Ich glaube, um das mal so ein bisschen plastisch zu machen, das heißt, wenn man als Verteidiger für eine bestimmte Organisation tätig ist – was weiß ich,  nehmen wir da vielleicht jemanden im Finanzsektor – dann geht es halt um Wissen über konkrete Angriffe, vielleicht Angriffstechniken, vielleicht eben auch konkrete Akteure, die gerade diese Angriffstechniken einsetzen, um gegen bestimmte Ziele – zum Beispiel im Finanzsektor –  vorzugehen. Und dann wird es vielleicht ein bisschen plastischer, warum das für einen Verteidiger Sinn macht, so ein Wissen zu konsumieren. Weil man dann eben vielleicht an bestimmten Stellen mit Angriffen rechnet oder vielleicht bestimmte Datenquellen eher mal konsultiert.

00:05:57 Lars Wallenborn: Ich würde das vielleicht sogar noch ein bisschen, noch krass viel plastischer machen. Also weil ich fand das sehr gut, was du gesagt hast, weil das so allgemein ist, und ich glaube, in der Allgemeinheit stimmt es auch. Aber einige Leute denken halt: Na ja, das heißt ja eigentlich nur eine Liste von bösen Domains und bösen IP-Adressen. Und das gehört vielleicht auch dazu. Ich würde aber sagen, das ist ein relativ kleiner Teil. Aber wie auch immer, ich meine, das macht es noch plastischer. Also wenn ich von jemanden gesagt bekomme, das hier sind Adressen, IP-Adressen im Internet, die werden als Server benutzt von Angreifern, von Hackern und so, dann könnte ich ja als Verteidiger einfach hingehen und dafür sorgen, dass überhaupt kein Netzwerk Traffic mehr aus meinem Netzwerk zu diesen IP-Adressen hingeht. Und dann ist quasi der Angreifer nicht mehr in der Lage, mit seinen Servern zu kommunizieren. Das ist jetzt sehr plastisch und sehr stark vereinfacht. Aber das ist so, ich denke mal, wo es herkommt und wie es auch vermutlich angefangen hat. Aber ich glaube, inzwischen ist es echt schon sehr viel weiter und sehr viel allgemeiner. Sowie ihr das gerade auch hier irgendwie umrissen habt.

00:06:54 Matthias Schulze: Na ja klar, diese ganzen IoCs, Indicator of Compromises, IP-Adressen und so weiter, die spielen eine Rolle. Da werden wir sicherlich gleich auch nochmal darauf eingehen. Ich fand es ganz hilfreich, so darüber nachzudenken, dass Cyber Threat Intelligence drei Elemente hat. Das eine ist, ich versuche die Bedrohung zu beschreiben. Also: Was, wer, von wo, wann, wie und warum bin ich bedroht? Dann, die zweite Ebene ist, was passiert, wenn sich diese Bedrohung realisiert, also was mache ich dann? Und dann das dritte Element, was ja auch für die Verteidigung relevant ist: Was kann ich denn tun, um mich gegen diese konkrete Bedrohungen jetzt zu schützen? Also der Sinn der Übung ist ja nicht nur, dass wir was wissen über Angreifer, und die Kampagnen die diese Angreifer machen, sondern tatsächlich auch in die Praxis kommen. Was kann ich tun, um mich auf diesen Angriffsvolley oder was auch immer da jetzt kommen mag, gegebenenfalls einzustellen. Und insofern hat es natürlich auch eine rein praktische Dimension, das Thema.

00:07:45 Lars Wallenborn: Also auch die schwere Entscheidung zu treffen, gegen welche Angriffe möchte ich mich nicht notwendigerweise verteidigen. Vielleicht ist es mir als Bank einfach egal, wenn meine Mitarbeiter irgendwelche Werbe-Browser Toolbars installieren, weil das vielleicht jetzt keinen Schaden verursacht. Aber es ist mir als Bank nicht egal, wenn das Swift-Terminal kompromittiert wird und Überweisungen getätigt werden und solche Sachen. Also auch diese schwere Entscheidung zu treffen: Na ja, das sind jetzt Bedrohungen, die bedrohen mein Unternehmen, aber gegen die wehre ich mich nicht, weil meine Prioritäten woanders liegen. Um überhaupt in der Lage zu sein, solche Entscheidung zu treffen, muss man glaube ich, eine Menge von der Bedrohungslandschaft insgesamt schon verstanden haben.

00:08:20 Matthias Schulze: Da hast du auch gerade noch, Lars, eine gute Einschränkung gemacht. Weil Threat Intelligence soll ja auch ein bisschen dabei helfen, von der Vielzahl der Bedrohungen, die es da draußen gibt, die auszuwählen, die für mich, für meine Organisation, für mein Unternehmen, für meinen Sektor, in dem ich tätig bin, besonders relevant sind. Weil wir leben ja in der IT-Sicherheit in Zeiten von begrenzten Ressourcen. Das heißt, es gibt immer nur begrenzte Ressourcen, das ändert sich eigentlich nicht. Und man kann sich nicht gegen alles gleichermaßen verteidigen. Insofern hilft Threat Intelligence, so die Theorie, zumindest für die Verteidiger, sich zu spezialisieren und eben auch bestimmte Bedrohungen, die nicht akut sind, die nicht kritisch sind, erst mal am Rand liegen zu lassen, um sich auf das zu konzentrieren, was wirklich ein Problem ist.

00:09:02 Christian Dietrich: Also man könnte zusammenfassen: Es geht hier um gesammelte, verarbeitete, analysierte Daten, die nicht nur einzelne Incidence beschreiben, sondern versuchen, auch so ein bisschen wieder quasi auszuzoomen, trotzdem aber einzelne Akteure irgendwie im Blick zu haben oder eben zu attributieren. Es geht nicht unbedingt um Incidence, die irgendwie so in der Luft hängen, sondern es geht darum, dass man die zuordnen kann zu Akteuren. Und dann sprechen wir eigentlich von Intelligence. Nämlich die Muster mit einem bestimmten Abstraktionsgrad, aber trotzdem noch für Anwender, für Entscheider irgendwie konkretisierbar auf ihre Verteidigungssituation.

00:09:39 Matthias Schulze: Genau. Und Intelligence beschreibt ja in gewisser Weise auch die Handlungsnotwendigkeiten, die in Informationen drin sind. Also, es gibt diesen schönen Trias zwischen Daten, Information und Intelligence. Das kommt, glaube ich, tatsächlich auch von der CIA oder von irgendjemand, der da früh drüber nachgedacht hat. Daten sind die reinen Fakten und Statistiken, die haben nicht notwendigerweise eine intrinsische Bedeutung. Zum Beispiel eine IP Adresse, eine URL, ein Hashwert et cetera pp. Das Faktum allein, das Datenstück, sagt mir noch nicht viel. Information wird das Ganze, wenn ich verschiedene Datenpunkte zusammenfüge, um zum Beispiel eine bestimmte Frage zu beantworten. Also wenn ich Daten sammle, um eine Frage zu beantworten, dann kriege ich da Informationen raus. Zum Beispiel: Wird meine Organisation in Darknet Foren diskutiert? Und dann habe ich diese individuellen Datenpunkte – Leute reden über mich in Darknet Foren – und kann eventuell daraus die Frage beantworten: Kommt da vielleicht eine Gefahr aus der Untergrund-Ökonomie auf mich zu? Und Intelligence wird das Ganze dann, wenn ich Muster in diesen Informationen und in diesen Daten entdecke, und wenn ich das Ganze noch mit Kontext anreichere, um Entscheidungen treffen zu können. Also das Ziel von Intelligence ist ja tatsächlich, Entscheidungen zu motivieren und zu treffen, und Informationen nutzbar zu machen für eine Zielgruppe. Damit man eben tatsächlich damit was tun kann und nicht nur nett über die Welt Bescheid weiß. Das interessiert uns als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler natürlich. Aber wenn man tatsächlich abwehren muss, dann reicht bloßes Wissen nicht, dann muss man auch was machen.

00:11:07 Lars Wallenborn: Ich würde vielleicht sogar noch einen Schritt weitergehen, dass ich zu Intelligence auch eine Bewertung in gewisser Weise dazu zählen würde. Also vielleicht hast du das gerade schon mit gesagt, aber vielleicht nicht so explizit. Aber wenn ich quasi nur Incidence … selbst wenn ich Incidence aufliste und dann die auch kontextualisiere und alles mögliche, dass ich dann aber auch darüber so Aussagen tätige, die über die reinen Fakten hinausgehen. Weil sie zum Beispiel – weiß ich nicht – mit in Betracht ziehen, was im letzten Fünf-Jahresplan von China stand. Und dann eventuell auch Aussagen über die Zukunft sind, die ja niemals sicher sein können. Also man kann immer nur sagen, ich glaube, das wird passieren. Ich meine, in der Non Cyber Threat Intelligence haben auch ganz viele Leute lange nicht gesagt, dass Russland in der Ukraine einmarschieren wird, und dann ist es einfach passiert. Und zu dieser Cyber Threat Intelligence gehören meiner Meinung nach auch in gewisser Weise Vorhersagen über Dinge, die passieren werden. Oder die man vielleicht nicht weiß, aber über die man dann trotzdem eine Aussage tätigen möchte, um all die Ziele zu erreichen, die wir gerade besprochen haben, um Leute in die Lage zu versetzen, sich besser zu verteidigen.

00:12:13 Matthias Schulze: Ja, ich würde dem zustimmen. Du hast Recht, dass ich da implizit schon sozusagen reingelegt habe, dass das eine – wie sagt man? – vorgeprägte, gebiasede, subjektive Geschichte ist. Weil Bedrohungen unterscheiden sich ja bisweilen zwischen verschiedenen Organisationen. Wenn ich die NSA bin, habe ich ein anderes Bedrohungsprofil, eine andere Risikoanalyse, als wenn ich ein Schuster in Unterfranken bin, ein kleiner mittelständischer Betrieb oder so. Das heißt, für diese unterschiedlichen Zielgruppen, Organisationen, brauche ich unterschiedliche Arten von Intelligence. Und viel hängt davon ab, was ich sozusagen brauche. Wir wollten jetzt nicht dezidiert drüber sprechen, aber es gibt ja in der Literatur den sogenannten Intelligence Cycle. Das ist so eine Heuristik, um zu verstehen, wie ich Informationen sammle. Und da steht ganz am Anfang immer die Frage: Was sind eigentlich meine Requirements? Was sind meine Anforderungen, nach denen ich Informationen sammle? Also das ist eine ganz individuelle Sache für eine Organisation, welche Anforderungen sie da hat. Und das kann sich sehr unterscheiden zwischen verschiedenen Akteuren, zwischen Staaten, zwischen großen Firmen, zwischen kleinen Firmen und so weiter und so fort.

00:13:18 Lars Wallenborn: Jetzt hast du natürlich auch schon ein ganz spannendes Thema angesprochen. Weil rein faktisch wird der Schuster in Unterfranken ja ganz schwer nur an gute Cyber Threat Intelligence rankommen. Also, ich weiß nicht, was sein Jahresbudget für Cyber Threat Intelligence vorgesehen hat, aber diese ganzen Unternehmen lassen sich das ja auch noch in Gold bezahlen, was sie da irgendwie so rauspumpen an Wissen.

00:13:41 Christian Dietrich: Ja, da muss man natürlich vielleicht unterscheiden. Also vielleicht beleuchten wir mal, wer macht eigentlich Cyber Threat Intelligence? Und ich glaube, vielleicht hast da jetzt primär so an den kommerziellen Sektor gedacht, Lars. Aber es gibt natürlich auch … also Nachrichtendienste machen ja auch Cyber Threat Intelligence, ganz, ganz massiv und vermutlich auch mindestens genauso lange, vermutlich deutlich länger, als das so im kommerziellen Bereich …

00:14:03 Lars Wallenborn: Und auf die hat der Schuster ja ganz einfachen Zugriff – auf die Nachrichtendienste.

00:14:07 Christian Dietrich: Na ja, aber es gibt ja durchaus Fälle, in denen aus Nachrichtendiensten heraus in bestimmten seltenen Fällen … ja gut okay, vielleicht keine Schuster gewarnt werden oder auf Dinge hingewiesen werden, aber in anderen Kontexten, gerade so im behördlichen Bereich, gibt es das ja schon. Die Frage ist nur – das können wir mal diskutieren – also ist das angemessen, ist das ein gesellschaftliches Verständnis davon, wie Cyber Threat Intelligence vielleicht passieren sollte?

00:14:33 Matthias Schulze: Na ja, aber die Frage, die ja da implizit dahinter steckt, ist die Frage: Wer braucht das? Also für wen ist das sinnvoll? Und das Beispiel des Schusters, was ich jetzt einfach so aus der Luft gegriffen habe, ist wahrscheinlich schon ein Hint darauf, dass ein Schusterunternehmen – unterstelle ich jetzt mal, ich will jetzt keinem zu nahe treten, der oder die Schuster, Schusterin ist – das wahrscheinlich nicht so akut braucht, wie ein großes Unternehmen, was, weiß ich nicht, 50.000 Mitarbeiter:innen hat, und einen gewissen Marktwert und geistiges Eigentum, und Personaldaten und Bankdaten und so weiter betreut. Für die ist die Bedrohungslage und das Risiko, dass was passiert bei einem Cyber Incidence, und Daten zum Beispiel geleakt werden, verschlüsselt werden, et cetera, viel erheblicher als für einen Handwerkerbetrieb in Deutschland. Insofern müssen wir, glaube ich, schon drüber sprechen was sind die verschiedenen Zielgruppen von diesem Bereich?

00:15:21 Christian Dietrich: Cyber Threat Intelligence macht dann Sinn genutzt zu werden, wenn man es eben auch umsetzen kann in einer Organisation, in einer Institution oder in einem Unternehmen. Also man spricht da ja auch einem gewissen Reifegrad, also Maturity auf englisch. Das heißt zum Beispiel, ich brauche eben jemanden, der solche Threat Intelligence Reports lesen kann. Ich brauche vielleicht jemanden, der auch Actionable Intelligence anwenden kann, also zum Beispiel eben so was wie Signaturen oder Indicator Feeds. Und ich brauche vermutlich etwas mehr als das, was die reine IT Abteilung im operativen Betrieb stemmt. Ich brauche vielleicht so was wie ein Security Operations Center. Das heißt, eine dedizierte Abteilung, die sich nur, oder primär um Sicherheitsfragen in der IT oder mit IT Bezug kümmern. Insbesondere wenn man so was hat, dann kann man sich sinnvoll, glaube ich, der Frage widmen: Wie wende ich Cyber Threat Intelligence in meiner Organisation an.

00:16:24 Lars Wallenborn: Vielleicht ist das auch einer der Gründe, warum das so einen schlechten Ruf hat. Dass das irgendwie Leuten verkauft wird, die das überhaupt nicht operationalisieren können. Also ich meine, nehmen wir mal an, man kriegt so ein Indicator Feed mit bösen, in Anführungszeichen, bösen Domains und IP’s. Und wenn ich zum Beispiel noch nicht mal die Netzwerk Infrastruktur in meinem Unternehmen habe, um danach zu filtern, dann kann ich damit schon nix anfangen. Und ich sage mal, Indicator und Domains sind schon das am einfachsten zu verarbeitende, also die am einfachsten zu verarbeiten Datenpunkte, die man erhält. Darüber sind halt noch abstraktere Dinge, wie – wie wir ja gerade schon besprochen haben – Beschreibungen von Incidence, Beschreibungen von ganzen Kampagnen oder ganzen Akteuren und so. Und das muss –  also eventuell ist das in natürlicher Sprache geschrieben, auf Englisch oder Deutsch oder so – und das muss dann auch jemand lesen. Und der oder die muss dann auch verstehen, was damit gemeint ist und so was alles. Und das braucht halt alles immens viel Zeit und damit auch Ressourcen. Und das haben, glaube ich, auch einfach viele nicht. Und vielleicht kommt der schlechte Ruf daher mit dem Schlangenöl und so, dass das einfach Leuten verkauft wurde, die eigentlich nur eine Liste von Domains in ihre Parameter Defence irgendwie reinstecken wollen, und dann kriegen sie da irgendwie diese ganzen Texte, die sie überhaupt nicht verstehen oder auch nur lesen können, weil es zu viel ist.

00:17:38 Matthias Schulze: Ich glaube, das ist eine ganz gute Annahme darüber, warum das bisweilen einen schlechten Ruf hat. Was auch in der Recherche dazu aufgetaucht ist, ist der Punkt, dass viel nicht automatisch gut ist. Also, wenn ich jetzt, nehmen wir mal an, zehn Data Feeds einspeise, dann kriege ich x-tausend Alerts pro Stunde oder pro Minute. Und das überfordert natürlich meine Abteilung, die sich mit um diese Alerts kümmern muss, massiv und gewaltig. Das heißt, es muss eine gewisse Passung dieses Tools, dieser Methodologie zu einer Organisation, zu einer IT Sicherheitseinheit, gewissermaßen zu einem Security Operations Center, wenn man denn eins hat, geben. Anderenfalls ist es wahrscheinlich vergebene Liebesmühe. Und ich brauche natürlich auch eine gewisse technische Infrastruktur, um auch diese Feeds verarbeiten zu können. Und ich brauche wahrscheinlich eine Art Security Incident Event Management System, in irgendeiner Art Intrusion Detection Prevention Lösung. Das wird einem natürlich auch alles verkauft, gerne auch im Bundle mit All Inclusiv Lösungen. Da ist sicherlich auch ein Teil der Kritik drin, dass das Schlangenöl ist. Weil muss es immer das große Bundle sein, mit Shiny Flash Bang Glitzer Etiketten oben drauf? Oder tun es nicht manchmal auch Open Source Lösungen, die es vielleicht auch gibt in diesem Bereich? Das ist sicherlich auch noch ein Teil der Erklärung, warum das Image manchmal als schlecht dargestellt wird. Wobei ich auch gar nicht sicher bin, ob das so ein schlechtes Image hat. Das wisst ihr vielleicht auch besser als ich.

00:18:56 Lars Wallenborn: Kommt, glaube ich, drauf an, wo man so ist. Also ich habe mal auf einer Open Source Konferenz gesprochen, da war das Image auf jeden Fall eher schlecht. Das ist auf jeden Fall ein Nebenschauplatz, und da sollten wir uns, glaube ich, nicht verlieren. Ich möchte aber das Hühnchen trotzdem gerade noch rupfen. Ich hab auch so einen Softwareentwicklungs-Hintergrund, und manchmal rede ich natürlich auch noch mit den Leuten, mit denen ich früher da  zusammengearbeitet habe. Und die haben, was zum Beispiel so Open Source Tooling angeht, so ganz andere Ansprüche, als man irgendwie so in der technischen Analyse hat. In der technischen Analyse, in der Cyber Threat Intelligence, releasen die Leute immer so Tools und so, und da geht es dann, glaube ich, mehr so darum, dass man die released hat, und gar nicht mehr so darum, dass man die dann noch langfristig maintained und so. Das will ich jetzt gar nicht über, weiß ich nicht, solche Tools wie Snort sagen oder so, weil da ist eine Community hinter, und das sind richtige Open Source Communities, die dahinter stehen. Aber diese kleinen Tools, die so von Individuen releast werden, das ist meistens also sehr, sehr schlecht maintained. Und ja, also da gibt’s irgendwie Open Source und Open Source. Wollte ich nur, wie gesagt, dieses Hühnchen wollte ich ganz kurz mal rupfen. Auch wenn das nichts mit irgendwas anderem, was wir hier diskutieren, zu tun hat. Also können wir gerne zurück zurück zum Thema kommen.

00:20:01 Christian Dietrich: Ich würde gerne noch mal zwei Punkte aufgreifen. Also der erste Punkt, der mir so ein bisschen nachhängt, wenn wir uns Gedanken darüber machen, wer braucht eigentlich Threat Intelligence, dann fällt mir das an folgender Stelle nochmal irgendwie auf. Denn wenn wir abgleichen damit, welche Organisationen so in jüngerer Zeit Opfer worden sind von Cyber Angriffen, dann sind das durchaus auch Organisationen, wo nicht ganz klar ist, warum werden die auf die Art und Weise angegriffen? Was ich meine? Wir sehen, dass Stadtverwaltungen angegriffen werden, wir sehen, dass Unis angegriffen werden, Hochschulen angegriffen werden. Wir sehen, dass Uni Kliniken angegriffen werden, und wir sehen, dass KMU’s angegriffen werden. So. Letzteres kann ich vielleicht so ein bisschen noch verstehen. Wenn wir uns im Kontext von Ransomware Angriffen befinden, dann kann ich da eine gewisse finanzielle Motivation vielleicht irgendwie noch verstehen. Aber gerade so für den Bereich der Stadtverwaltungen und Hochschulen sehe ich das eigentlich nicht mehr unbedingt. Und das heißt – für mich drängt sich da massiv die Frage nach Threat Intelligence auf – also quasi, wie können wir solche Organisationen schützen? Und spielt Cyber Threat Intelligence da nicht irgendwie doch auch eine Rolle? Natürlich ist mir klar, dass die meisten dieser Organisationen eben genau nicht diese Infrastruktur haben, die ich vorhin erwähnt habe. Also da gibt es eben keine SOC’s, also keine Security Operation Center, da gibt es kein IT Security Team. Da gibt es manchmal wirklich noch nicht mal eine Person, die irgendwie IT Sicherheit macht.

00:21:27 Lars Wallenborn: Ja. Da gibt es den Hausmeister, und der macht jetzt auch die IT.

00:21:31 Matthias Schulze: IT Sicherheitsbeauftragten, also Hausmeister.

00:21:34 Christian Dietrich: Die werden gerade eingeführt, und trotzdem touchiert das natürlich Bereiche unseres gesellschaftlichen Lebens, wo wir eigentlich nicht damit einverstanden sein können, dass die einfach so irgendwie kompromittiert werden. Das heißt, wir könnten uns da schon auch die Frage stellen: Kann man in dem Kontext sinnvoll Cyber Threat Intelligence machen? Wie sieht es aus, und wie würde das dann eben operationalisiert?

00:21:56 Matthias Schulze: Das ist jetzt natürlich eine schwierige Frage, wenn man so aus einer …  ich versuche jetzt mal die Sozialwissenschaftler Brille hochzuhalten, die du vorhin am Anfang angepriesen hast. Ich meine, insbesondere Stadtverwaltungen sind, glaube ich, ein ganz gutes Beispiel. Weil die zwar für sich rechtlich individuelle Akteure sind, also Stadtverwaltung Berlin oder wegen mir sogar die Bezirke in Berlin, die haben ja zum Teil noch eigene … sind juristisch betrachtet eigene Entitäten. Das heißt, sie haben eigene Rechtsvorschriften, denen sie folgen müssen, und so weiter. Aber für einen Angreifer ist es, glaube ich, wurscht, über welche Stadtverwaltung wir sprechen. Das heißt, so von außen betrachtet sind sie Like Minded Units, wie man das in der internationalen Beziehungstheorieschule sagt. Also sie sind Akteure, die in einer ähnlichen Bedrohungslandschaft sind, und dadurch eine gewisse Ähnlichkeit haben. Das heißt, um die zu schützen, müssten die sich entweder zusammentun und irgendwie gemeinsam eine Lösung entwickeln. Oder es muss jemand für sie machen. Und da würde dann in der bundesdeutschen, vom Föderalismus geplagten Logik wahrscheinlich dann das BSI am Ende stehen. Was wahrscheinlich aber gar nicht das darf, weil die Städte und so weiter eben autonome juristische Konstrukte sind. Und die Bundesländer sowieso nochmal. Und das ist, glaube ich, dann also einerseits eine juristische, rechtliche Frage: Wer hat da welche Befugnisse und darf was machen? Und dann andererseits ist es natürlich auch eine Marktfrage oder eine privatwirtschaftliche Frage dahingehend, nämlich wie entwickelt man eigentlich Lösungen für einen Bereich, wo ich nicht so zahlkräftige Kunden habe – ich meine, die Stadtverwaltungen haben auch nicht super viel Geld – und auch vielleicht gar nicht so viele Abnehmer habe. Aber das ist ja so dieses klassische Thema: Wie kriege ich ein Geschäftsmodell zum Beispiel auf Dörfer, wo ich einfach nicht so viele Leute habe, die da wohnen, die zum Beispiel Elektroscooter fahren könnten, aber genauso Mobilitätsprobleme haben wie Leute in Großstädten?

00:23:45 Christian Dietrich: Ja, ja, genau das finde ich nämlich auch. Da drängt sich einem also auch – selbst wenn man da noch nicht lang vielleicht drüber nachgedacht hat – so ein bisschen die Frage auf, gibt es da sinnvoll irgendwie eine Konsolidierung? Vielleicht einerseits von Infrastruktur, andererseits aber eben auch von Leuten, die so ein IT Security Betrieb stemmen können. Und dazu gehört dann eben auch das Konsumieren von Cyber Threat Intelligence, und das eben auch zu operationalisieren. Nur will man das vermutlich nicht. Oder was heißt, will man – funktioniert das vielleicht eben nicht immer in diesem privatwirtschaftlichen Kontext aufgrund der Constraints, die du gerade genannt hast, Matthias. Ich weiß nicht, ob man da vielleicht an so was wie Genossenschaftsmodelle oder so was denken kann. Ja, müsste man vielleicht nochmal irgendwie ein bisschen länger drüber nachdenken. Aber ich glaube, dass das auf jeden Fall für uns gerade so ein bisschen insofern ein Problem ist, gesellschaftlich, weil das löst sich gerade im Markt eben nicht, und wir sehen aber, dass reihenweise solche Organisationen gerade irgendwie kompromittiert werden.

00:24:48 Lars Wallenborn: Da möchte ich gerade auch noch mal kurz ganz konkret werden. Also, wenn wir hier über Angriffe auf den öffentlichen Sektor reden, dann denken wir wahrscheinlich sehr viel an so Big-Game-Hunting Ransomware Angriffe. Ich sag nochmal kurz, was ich damit meine. Damit meine ich, irgendein Akteur, ein Hacker, eine Hackergruppe verschafft sich Zugriff auf ein Netzwerk, bringt dann da so Verschlüsselungstrojaner raus, verschlüsselt alle Daten, die da vor Ort sind, und verlangt dann Lösegeld dafür, dass die Daten wieder entschlüsselt werden. Das ist natürlich nur so ein Teil der Medaille. Insbesondere weil das halt ausschließlich Akteure jetzt abdeckt, die finanziell motiviert sind, also die irgendwie Geld machen wollen da raus. Es gibt auch noch andere Akteure, die andere Motivationen haben. Aber vielleicht konzentrieren wir uns jetzt einmal ganz kurz auf diese Ransomware Sache. Weil ich habe mich gefragt … und vielleicht könnt ihr mir das beantworten, vielleicht Matthias du. Also nehmen wir mal an, so eine Stadtverwaltung Berlin, irgendeinen Bezirk, wird von einer Ransomware kompromittiert, aber die wollen ihre Daten ganz dringend wieder haben. Wären die überhaupt in der Lage, das Lösegeld zu bezahlen? So juristisch meine ich. Also, ich kann mir halt nicht vorstellen, dass irgendjemand sagt: Ja, mit dem Steuergeld, mit dem haben wir eine Gruppe von Kriminellen bezahlt, damit sie uns unsere Daten wiedergeben. Also ich kann mir vorstellen, dass da irgendwie so ein paar Probleme noch sind.

00:26:04 Christian Dietrich: Es ist immer gut, eine juristische Frage in so eine Runde zu werfen, wo kein Jurist anwesend ist.

00:26:08 Lars Wallenborn: Wo kein Jurist anwesend ist – auch wieder wahr. Aber vielleicht gibt es ja … ich weiß ja noch nicht mal, wie diese ganzen … du hast zum Beispiel gerade, Matthias, einfach so gedropt, dass die ja alle irgendwie unabhängig sind in Berlin, und das wusste ich auch alles nicht so, also, vielleicht hast du ja irgendwie …

00:26:22 Matthias Schulze: Also zu einem gewissen Grad unabhängig. Die sind natürlich dann schon in einem Bundesland und so. Aber wir hatten das ja in der Corona Pandemie. Als wir darüber diskutiert haben: Können die Gesundheitsämter eigentlich Daten austauschen? Und dann kam irgendwie raus, dass die zum Teil alle unterschiedliche Software benutzen, obwohl sie nur 20 Kilometer Luftlinie voneinander bisweilen weit entfernt sind. Und so ein bisschen ist es mit den Stadtverwaltungen und so weiter auch. Die benutzen ja auch nicht standardisierte Hard- und Software. Also wahrscheinlich doch Windows, aber alles, was Hardware Infrastruktur ist, werden die sich ja irgendwann mal selber zurecht geklöppelt haben. Und auch die die E-Government Services, die sie dann vielleicht dann doch schon haben in manchen fortschrittlicheren Bundesländern. Die sind ja dann auch alle custom und nicht: Wir machen es einmal für alle Bundesländer, und dann ist es einheitlich. Insofern, die Frage ist ein bisschen schwierig für mich – weil ich eben nicht Jurist bin – zu beantworten, ob die das bezahlen dürfen. Ich will nur auf das Dilemma hinweisen, was dabei entsteht. Sie werden es uns wahrscheinlich auch gar nicht sagen, weil es sieht nach außen natürlich sehr schlecht aus, wie du schon gesagt hast, wenn bekannt wird, dass Stadtverwaltung XY das Lösegeld bezahlt hat. Ich weiß es gerade gar nicht, ich habe gerade die Wissenslücke, wie das bei Anhalt Bitterfeld beispielsweise war. Ich weiß aber, dass zum Beispiel in anderen Ländern darüber diskutiert wird, ganz konkret in Großbritannien, dass man das Organisationen verbieten will, dass sie das Lösegeld bezahlen. Es macht natürlich das Dilemma auf: Riskierst du, dass ein Unternehmen oder irgendjemand Bankrott geht und nicht mehr weiter geschäftstätig sein kann, weil die Daten nicht mehr da sind? Oder zielst du auf das größere Ziel hin und versuchst, den Kriminellen das Geschäftsmodell durch ein Verbot von Bezahlungen wegzunehmen? Das ist glaube ich, ein ungelöstes Dilemma. Das war jetzt eine lange ausschweifende Antwort auf die Frage. Ich weiß es nicht, ob die das bezahlen dürfen oder nicht.

00:27:58 Christian Dietrich: Also ich kann mal eine Meinung abgeben. Darf man ja im Podcast.

00:28:02 Lars Wallenborn: Ob sie es bezahlen sollten, so normativ jetzt.

00:28:05 Christian Dietrich: Ich kann es mir eigentlich nicht vorstellen. Das sind öffentliche Gelder, und ich kann mir das eigentlich nicht vorstellen, dass man Lösegeld zahlen darf, um Daten wieder freizukaufen. Es ist ja anders vielleicht als mit materiellen Gütern in irgendeiner Form, wo Besitztümer einfacher geregelt werden können, also Eigentumsverhältnisse und so weiter. Also, ich habe die Kontrolle über eine Sache, in dem ich sie besitze oder nicht. Das habe ich halt bei den Daten nicht. Das heißt also, ich bekomme die Daten möglicherweise wieder, aber ich weiß nicht, was mit den Daten sonst noch passiert, und gleichzeitig habe ich wahrscheinlich ein kriminelles Geschäft befeuert. Ich kann mir das eigentlich nur sehr schwer vorstellen, dass dieses Dilemma, wie du es genannt hast, Matthias, zugunsten der Zahlung des Lösegelds aufgelöst wird.

00:28:53 Matthias Schulze: Wir leben ja immerhin in modernen Zeiten, und Doktor Google hat mir gerade  einen Artikel von Netzwelt.de ausgespuckt – das erste was aufgeploppt ist – aus dem Jahr 2020, wo auf Anfrage mitgeteilt wurde vom BSI, dass ihnen ein Fall bekannt sei, indem eine Kommune im Jahr 2016 für eine Entschlüsselung Geld bezahlt hat. Und das BSI rät, dass die Kommunen das nicht tun. Und wenn sie sagen, es rät, heißt das, sie dürfen ihnen nicht verbieten, das heißt, sie dürfen es wahrscheinlich, die Kommunen.

00:29:17 Christian Dietrich: Okay, krass, ja!

00:29:20 Lars Wallenborn: Ja, ich hätte ich auch nicht erwartet.

00:29:22 Matthias Schulze: Haben wir was gelernt hier im Podcast?

00:29:24 Lars Wallenborn: Kann ich mir auch gut vorstellen, wenn man am Anfang so ein Budget erstellt, dann irgendwie so fünf Prozent für Ransomeware Zahlungen, die man in den nächsten fünf Jahren irgendwie alle so abknapsen muss und so. Na ja.

00:29:33 Christian Dietrich: Es muss ein interessanter Beschaffungsantrag gewesen sein, den man da so ausgefüllt hat.

00:29:38 Matthias Schulze: Der Link kommt natürlich in die Shownotes.

00:29:40 Christian Dietrich: Perfekt. Gut, wollen wir mal ein bisschen springen, nämlich in die Geschichte. Wo kommt das Ganze eigentlich her, und warum ist das jetzt auf einmal ein heißes Ding? Und warum war das nicht vor einigen Jahren schon? Also Cyber Threat Intelligence, das haben wir ja eben schon gesagt, das gibt es schon relativ lange. Das kommt irgendwie natürlich so aus dem nachrichtendienstlichen Umfeld, aber es ist von da vielleicht lange Zeit nicht wirklich nach außen getragen worden. Und das änderte sich, glaube ich, so ein bisschen damit, dass es vielleicht irgendwie von Clifford Stoll 1989 in dem Buch Cuckoo’s Egg, also das Kuckucksei auf Deutsch, in dem mal dokumentiert wurde, wie man eigentlich versucht, einen Akteur zu tracken. Damals ging es eben um einen Cyberangriff gegen Lawrence …

00:30:24 Matthias Schulze: Das war eine Uni. Der Clifford Stoll hat an der Uni gearbeitet – ich weiß gerade nicht mehr genau, welche es war – und ist durch einen Buchhaltungsfehler auf einen Angreifer aufmerksam geworden. Irgendwie eine Abrechnung von 50 Cent oder so was, die zu viel drinne war. Und weil man ja damals noch für Services oder für Nutzungsdauer Geld bezahlt hat, war die Frage: Wer hat denn das verursacht? Und dann stellte er fest, da hat jemand von außen einen Nutzeraccount übernommen und hat auf dessen Kosten sozusagen hier unsere Ressourcen verwendet.

00:30:49 Lars Wallenborn: Und was bei dieser Uni damals der Fall war, ist, dass dieser Server quasi nur so als Jumphost verwendet wurde. Also da haben sich Leute eingewählt, um sich von da weiter zu verbinden zu anderen Zielen. Und ich glaube, der Chris recherchiert gerade, was nochmal das Ziel war. Währenddessen kann ich ja noch den, meiner Meinung nach, größten Treppenwitz an der ganzen Geschichte erzählen. Also, dieses Buch ist, ich glaube, einer der ersten gut dokumentierten, ich sag mal, Cyber Threat Intelligence Reports in gewisser Weise. Er hat sich quasi hingesetzt, dieses Buch geschrieben, und man könnte jetzt sagen, das ist ein Cyber Threat Intelligence Report. Klar, der ist ein bisschen outdatet – also 1989, ist schon eine Weile her, dass der veröffentlicht wurde – und damals haben die Akteure halt schon diesen Trick gemacht oder was heißt Trick, haben halt schon Server kompromittiert, um von da sich zu anderen Hosts weiter zu verbinden. Und heute liest man manchmal so in den Medien, ja, das hier ist ein Cyberangriff – irgendwie in schlechten Zeitungen und so – das ist ein Cyber Angriff, und das wurde zurückverfolgt auf eine IP Adresse, die aus Russland kommt. Deswegen war es Russland. Und das treppenwitzige daran ist, dass das schon in diesem ersten Cyber Threat Intelligence Report schon nicht mehr der Fall war, dass man auf Basis von IP-Adressen Attributierung machen konnte, und das triggert mich immer sehr, also wenn man diese Strohmann-Argumente irgendwie macht.

00:32:01 Matthias Schulze: Aber in der Episode ist natürlich eine ganze Menge Zeug drin, was auch heute noch relevant ist. Wen das näher interessiert, ich habe dazu mal eine Podcastfolge gemacht, vor einigen Jahren. Auch hier der Link in die Shownotes und … Shameless Self-Promotion. Aber das Interessante an dem Kuckucksei ist wirklich, dass man da viel für die heutige Zeit auch noch lernen kann. Also die Jump-off Points, die du genannt hast, die Rolle von trojanischen Pferden als Fake Login Screen, der Nutzerdaten abgreift, die Behörden Diffusion, die eingreift, sobald Clifford Stoll versucht, mit dem FBI zu telefonieren. Und dann Fragen wie: Ist das FBI eigentlich in charge oder die CIA oder die NSA? Und dann wird erst mal rumtelefoniert, die Arbeitszeiten von Hackerinnen und Hackern, die am Ende des Tages dabei helfen, als Indikator und Indiz eine Schlussfolgerung zu ziehen, dass der Angriff wahrscheinlich aus einer mitteleuropäischen Zeitzone kommt, die verwendeten Namen von Nutzer Accounts, die durch die Angreifer angelegt werden, die dann einen Hinweis darauf liefern, dass der Angreifer eventuell deutschsprachig ist, und allerlei solche Geschichten, die heute auch noch – also diese Indicators of Compromise – die heute auch noch eine Rolle spielen. Das ist ein ganz bemerkenswerter Aspekt dieses Buchs.

00:33:08 Lars Wallenborn: Auf jeden Fall, und ich meine er als Autor, ist auch einfach … so verrückter Professor Vipes irgendwie … und das ist auch super lustig geschrieben. Ich kann das Buch sehr empfehlen, auch zu lesen, und auch, was er sich dann ausgedacht hat. Ich meine, man könnte auch sagen, er hat eine der ersten Deception Plattformen oder Deception Operations durchgeführt, in diesem Cyberspace. Er hat quasi die so getan, als wäre er … also er hat eine Institution erfunden, von der er gerechnet hat, dass sie in den Zielanforderungen von den Hackern ist. Und dann hat er denen so falsche Dokumente, die er sich einfach ausgedacht hat, gefüttert. Und dann ja, also er war schon sehr kreativ, auch zu seiner Zeit. Also, wie gesagt, ist schon ewig her. Heute sagen Leute, wir haben eine Cyber Deception Plattform und machen damit einen Riesenhaufen Asche, und der hat es damals einfach nur, als, ich weiß es gar nicht, wissenschaftlicher Mitarbeiter an dieser Uni, so zum Spaß gemacht.

00:33:53 Christian Dietrich: Genau. Es war keine Uni, es war eine Forschungseinrichtung des US Department Of Energy, also des Energieministeriums. Aber genau, es ist nicht geheime Forschung die da passiert. Genau, das war das SDI Net. Also das Strategic Defence Initiative, muss man sagen, war zu der Zeit eigentlich ein relativ großer, wichtiger Begriff. Ein von Reagan, glaube ich, initiiertes Programm so in den USA, und das hat er halt irgendwie einfach aufgegriffen und hat halt einfach so getan, als ob dazu irgendwie Inhalte in der Forschung eine Rolle spielen würden. Um das vielleicht noch mal kurz zusammenzufassen. Da werden also viele Attributionsansätze letztlich auch eingesetzt, und damit sind wir vielleicht noch mal bei einem ganz wichtigen Punkt. In der Cyber Threat Intelligence spielt Attribution natürlich eine wichtige Rolle. Also eben die Frage nach dem, wer hat bestimmte Aktionen durchgeführt, wer hat bestimmte Angriffe irgendwie durchgeführt? Und die Folge Zwei von Persepticon, die hier das Buch von Clifford Stoll zum Thema hat, ist auf jeden Fall empfehlenswert. Und wir haben mal zum Thema Attribution eine Folge gemacht, die wir vielleicht auch noch mal kurz als Shameless Plug hier …

00:34:57 Lars Wallenborn: Shameless Self-Ppromotion as well.

00:35:00 Christian Dietrich: Also das ist die Folge Nummer Zwei, Hat-tribution, Attribution von Cyber Spionen.

00:35:01 Matthias Schulze: Verdient, kann ich jetzt von meiner Seite empfehlen.

00:35:06 Lars Wallenborn: Genau, in dem Kontext wollte ich noch gerade sagen, Chris, du hast gerade gesagt: Attribution ist, dass man herausfindet, wer dahintersteckt und so. Ich möchte nur der Vollständigkeit halber noch hinzufügen, dass ich auch sagen würde, dass schon das Zusammenfassen von Incidence, dass man das auch schon als Attribution bezeichnen kann. Nicht unbedingt muss, und vielleicht widersprechen mir auch irgendwelche offiziellen Definitionen da. Aber ich würde auch schon alleine sagen, dass man so Sachmuster wieder erkennt und dann irgendwie Dinge zusammenfasst, die erst unrelated zueinander aussahen. Das würde ich auch schon als Attribution bezeichnen. Also ist nicht immer nur das Ziel, am Ende zu sagen, wer es war, na ja.

00:35:35 Matthias Schulze: Dann biegen wir doch kurz jetzt auf diese Tangente ab, die Attributions-Tangente, die ihr aufgemacht habt. Wenn wir sozusagen jetzt auf der rein technischen Ebene bleiben, dann ist Attribution in erster Linie natürlich die Frage, welche Maschine hat was gemacht? Und dann kommt man häufig nicht weiter als IP-Adressen. Aber dahinter stehen ja noch zwei … ein paar nachgelagerte Fragen. Nämlich a) Wer bedient die Maschine, welcher Mensch? Und dann noch dahinter gelagert die Frage: In welchem Auftrag handelt dieser Mensch? Und da sind wir dann sozusagen bei den komplexeren Ebenen von Attribution, die weitaus schwieriger zu beantworten sind als die Frage, welche IP Adresse hat was gemacht. Nämlich welcher Staat, Fragezeichen? War es überhaupt ein Staat? War es ein privater Akteur? War es ein Rogue Actor? Es gibt ja dutzende cyberkriminelle Gruppen da draußen, die auf eigenen Geheiß agieren. Es soll auch Nachrichtendienste geben, die nicht das machen, was ihr ihr Herr oder ihre Herrscherin so befiehlt, die nach eigenem Gutdünken handeln. Also dann ohne staatlichen Auftrag, bisweilen aktiv sind. Und neben dieser, sagen wir mal, sozialen Attribution und der technischen Attribution gibt’s ja auch noch die ganze juristische Ebene, die rechtliche Attribution. Nämlich die Frage: Wer ist eigentlich zu  belangen juristisch? Wen kann ich anklagen, oder kann ich überhaupt jemanden anklagen? Und dann muss ich das Ganze auch noch gerichtsfest hinbekommen, wenn es zu einer Anklage kommt. Das heißt, wenn wir über rechtliche Attribution sprechen, dann haben wir ganz andere Grade von Informationen, die wir da brauchen, als wenn wir rein über diese technische oder aber auch schon ganz vorgelagert – so wie du Lars gesagt hast – dieses Clustering von Akteuren sprechen, was weniger voraussetzungsvoll ist, aber nicht desto trotz trotzdem schwierig ist.

00:37:13 Lars Wallenborn: Ich hab das nur erwähnt, weil für die meisten oder für viele Unternehmen zumindest ist es ja eigentlich egal, wer es war. Denen ist es völlig egal, ob es der Hans-Peter irgendwo war oder ob es irgendein anderer Krimineller war. Die wollen sich ja nur gegen den wehren. Das müssen schon sehr spezielle Konsumenten von Cyber Threat Intelligence sein, die das dann interessiert. Also in dem Fall halt jetzt irgendwie Strafverfolgungsorgane und Staaten und so was, die das dann noch eventuell strategisch einsetzen wollen. Und bei der Frage, die du auch super … mit den verschiedenen Ebenen … die Person, für welche Institution arbeitet die Person? Ich glaube zum Beispiel, wenn man so Spione irgendwie jagt, ist es gar nicht so wichtig, dass man die Person irgendwie kriegt, die es war, sondern da will man vielleicht als Staat eher nur wissen, welcher andere Staat war es. Egal, ob die Person, die dann da am Keyboard saß, jetzt der Hans oder der Karl war, da geht es eigentlich nur darum – irgendwie sind alle meine Hacker heute deutsch – da geht es irgendwie nur darum, dass man herausfindet, welcher andere Staat hat mich da irgendwie ausspioniert, angegriffen oder so was? Jetzt sind wir hier auf einer wirklich ziemlichen Tangente gelandet.

00:38:14 Matthias Schulze: Ja, wir können ja wieder zurück in die Vergangenheit reisen. Da sind wir ja hergekommen. Wir waren ja mit Clifford Stoll im Jahr 1989 als sozusagen historische Genese aus dem Ei gehoben, aus dem Ei gepellt, die Threat Intelligence, und dann passiert aber kurioserweise lange Zeit nichts. Beziehungsweise, ich habe nichts gefunden, was darauf hindeutet. Threat Intelligence selber taucht dann in meiner Recherche zumindest – ihr könnt mich gerne korrigieren – erst im Jahr 2011 wieder auf, als die sogenannte Lockheed Martin Kill Chain herausgegeben wird. Und die Kill Chain ist in gewisser Weise ein Daten-Ordnungsschema oder ein Analyseschema, um aus individuellen Daten eines Cyberangriffs, einer Cyberoperation, einen Sinn zu extrahieren. Und diese Kill Chain visualisiert mit einer militärischen Logik dahinter – deswegen heißt es Kill Chain, also Tötungskette – die Abfolge von, also ursprünglich von einem konventionellen Angriff. Das fängt dann mit so was an wie: Ich muss erst mal Reconnaissance machen, um zu wissen, was ich überhaupt angreifen will, dann muss ich Targeting machen, dann muss ich meine Waffen drauf einstellen, und dann muss ich irgendwann mal abfeuern, und dann muss ich ein Battle Damage Assessment machen hinterher, ob ich überhaupt getroffen habe. Das ist so eine traditionelle Kill Chain. Und Lockheed Martin, ein US-Verteidigungsunternehmen, hat das ganze Ding dann genommen, dieses Konzept, und hat gesagt, das gibt’s auch im Cyberspace mit einer Cyber Kill Chain. Das wird seitdem benutzt und weiterentwickelt als so eine Analogie, um Angriffe von komplexen Angriffsakteuren zu verstehen, weil diese Angriffe eine gewisse Phase durchlaufen. Und wenn man so Phasen hat, dann kann man sich sozusagen als Defender, als Verteidiger, drauf einstellen. Wenn ich weiß: Okay, jetzt sind wir in dieser Phase, in diesem Schritt, dann wird als nächstes höchstwahrscheinlich das und das oder das passieren.

00:39:50 Lars Wallenborn: Genau. Diese Kill Chain wird natürlich auch viel kritisiert und so was alles. Da möchte ich jetzt aber gar nicht so sehr drauf einsteigen. Also solche Sachen, wie, weiß ich nicht, ich kann mich überhaupt nicht dagegen wehren, dass ein Akteur Reconnaissance gegen mich durchführt oder so. Also, aber was ich eigentlich dazu sagen, noch ergänzen wollte, ist, dass diese Kill Chain auch so ein bisschen die … die war auch so eine Art Hoffnungsschimmer. Also das Versprechen dahinter war ja, das ist eine Kill Chain, also wirklich eine Kette, und ich als Verteidiger …. Man sagt ja klassischerweise immer, so ein Angreifer, der muss nur einmal erfolgreich sein, und ich als Verteidiger muss immer erfolgreich sein. Und diese Kill Chain hat das so umgedreht. Die hat quasi gesagt, na ja, der Angreifer muss so verschiedene Schritte durchlaufen – die hat irgendwie sieben Stück oder so – und ich als Verteidiger muss nur einen dieser sieben Schritte disrupten und verhindern, um den gesamten Angriff zu verhindern. Also fand ich ein ganz nettes Tool, um irgendwie dann doch mal, wie gesagt, einen Hoffnungsschimmer zu haben, dass dieses ganze Verteidigen dann doch was bringt.

00:40:48 Matthias Schulze: Ja, habe ich auch so wahrgenommen.

00:40:51 Christian Dietrich: Ich finde, parallel zu dieser Diskussion, die ja maßgeblich durch das Papier irgendwie hier zur Kill Chain entstanden ist, gab es, fand ich, auch so ein Trend, dass, und das würde ich jetzt mal so 2009 in etwa verorten, dass eben Reports, ich würde schon sagen, Threat Intelligence Reports, öffentlich gemacht wurden. Also zum Beispiel Operation Ghost Net ist was, was mir 2009 so über den Weg gelaufen ist, von dem Information Warfare Monitor, University Of Toronto. Ich glaube, damit begann so ein bisschen – in meinen Augen begann damit so ein bisschen  so ein Trend, dass man CTI Reports eben öffentlich gemacht hat. Etwas, was bis dahin jetzt also mit Ausnahme des Buchs von Clifford Stoll, nicht so häufig passierte. Vermutlich einer der mit am meisten betrachteten Reports in dem Bereich war dann der APT1 Report von Mandiant. Der kam 2013 raus, und der war jetzt, glaube ich, mehr oder weniger zum ersten Mal ein großer Report von so einer kommerziellen Einheit. Also, es gab vorher vielleicht auch schon den ein oder anderen Report in eine ähnliche Richtung – also zu anderen Akteuren – von Symantec und Dell SecureWorks, und McAfee. Aber Mandiant hat halt mit diesem APT1 Report schon einfach nochmal eine andere Größenordnung, kann man, glaube ich schon sagen, erreicht. Einerseits im Hinblick auf die Dokumentation, also es wurde relativ klar, dass hier sehr viel Sichtbarkeit vorliegt,  und dass eben auch in vielen verschiedenen Attributionsdimensionen gearbeitet wurde, um eben möglichst ein verlässliches Urteil nachher fällen zu können. Da kann man sagen, das ist eben ein weiterer Entwicklungsschritt, wenn wir uns diese Geschichte von CTI irgendwie anschauen. Und dass nämlich jetzt auf einmal, kommerzielle Player auftreten und ihre Threat Intelligence öffentlich machen.

00:42:42 Matthias Schulze: Du hast das gerade schon bemerkenswerterweise angesprochen, dass der Ghost Net Bericht, der ist ja von der Uni, vom Citizen Lab in Toronto, das ist ja ein Forschungsinstitut, was quasi den gleichen Slogan hat wie wir, eine technische Expertise und sozialwissenschaftliche Expertise zusammenzubringen. Ich erwähne das deshalb, weil die super Arbeit machen und ich da auch mal die Ehre hatte, mal einen Forschungsaufenthalt zu machen. Deswegen, die machen tolle Arbeit und Ghost Net ist auch eine witzige Operation. Weil da unter anderem auch der Dalai Lama, also das Büro vom Dalai Lama in Indien als Ziel galt, weil das vermutlich eine chinesische Operation war. Insofern ist das ein witziger Report und zeigt auch, dass natürlich aus der Uni-Perspektive, aus der Forschungsperspektive, diese Transparenz wichtig ist. Weil Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wollen natürlich ihre Daten veröffentlichen und Peer Review aussetzen, also der Kritik der Masse. Und das ist ein interessanter Aspekt, wenn man jetzt den Mandiant APT1 Report nimmt, weil da gab es in der Infosec Community eine heftige Kontroverse darüber, ob das gut ist, was Mandiant da macht. Im Sinne von, die verraten ja die Tools of the Trade gewissermaßen, die verraten ja, wie Verteidiger funktionieren und wie Analysen funktionieren und geben damit ja vielleicht den Angreifern einen Vorsprung und machen das sowieso nur aus Publicitygründen und wollen damit Geld verdienen und FUD verbreiten, also Fear, Uncertainty and Doubt. Und das ist ganz witzig, weil einige von Mandiant dann heftige Blogposts dagegen geschrieben haben, und gesagt haben: Nein, das hilft uns allen, wenn wir diese Informationen teilen und wenn wir das eben nicht zurückhalten, weil wir da alle von lernen können. Also das ist eine interessante Rezeption dieses APT1 Reports, die mir im Zuge der Recherche aufgefallen ist.

00:44:20 Christian Dietrich: Ja.

00:44:22 Lars Wallenborn: Habe ich nichts zu ergänzen, super.

00:44:24 Matthias Schulze: Ich dachte, du sagst jetzt noch was vom Organisations …

00:44:28 Lars Wallenborn: Ich habe gerade gedacht, also, genau, also erst mal 100 Prozent, was du gesagt hast. Wenn so ein Report von so einer Firma öffentlich gemacht wird, ist das ein Marketing Tool. Das Marketing muss aber ja nicht unbedingt in Richtung potenziellen Kunden gerichtet sein. Das kann ja auch Richtung zum Beispiel potenziellen Mitarbeiter gerichtet sein. Guckt mal, was wir für einen coolen Scheiß machen, wollt ihr nicht bei uns arbeiten zum Beispiel. Und natürlich auch zu Werbezwecken. Aber das … da muss man halt so ein bisschen gucken. Wenn man zum Beispiel nur so öffentlich verfügbare CTI konsumiert, gerade von, na ja, von großen Firmen, sind die dann schon auch darauf zugeschnitten, marketingwirksam zu sein. Die sind dann immer besonders flashy, besonders unique, besonders … also halt in irgendeiner Weise besonders. Damit will man irgendetwas zeigen. Entweder möchte man als Firma sich selber besonders gut darstellen: Guckt mal, was wir alles sehen. Wenn ihr uns kauft, seid ihr besser geschützt. Oder, wie gerade gesagt, guckt mal, was wir für einen coolen Kram machen, wollt ihr nicht für uns arbeiten. Und das muss man halt immer, meiner Meinung nach nur so, als caveat halt immer im Kopf behalten. Das ist jetzt nicht ein breiter Überblick über die Bedrohungslandschaft oder so was. Ich glaube nicht, dass viele Firmen Blogposts über irgendwelche langweiligen, aber trotzdem sehr, sehr wirksamen Cyberangriffe schreiben, gegen die man sich verteidigen will, und das dann als Blogpost veröffentlichen. Ja, das noch so oben drauf. Und was dieses Information-Sharing angeht, von wegen, dass dann die Akteure besser werden. Ja, das ist halt so. Aber wenn man glaubt, dass man über Jahrzehnte hinweg die Tools of the Trade vor den bösen Hackern verstecken kann, das halte ich auch nicht für realistisch. Also ich meine, ich würde mal so grob sagen, das war schon ein guter Moment, um so was zu veröffentlichen, wenn ich das jetzt mal auf einen Satz runter brechen muss.

00:46:18 Matthias Schulze: Und es sind ja auch viele dann darauf angesprungen. Das war ja so ein bisschen dieser Wasserscheide Moment. Ich habe ein Zitat gefunden, so sinngemäß, der beschreibt die RSA Conference aus dem Jahr 2014, also große Security Expo in San Francisco, glaube ich, und das Jahr 2014 war voll mit Threat Intelligence Angeboten, die sozusagen da verkauft wurden. Und da haben es die ganzen Unternehmen aufgegriffen, und dann wurde es gewissermaßen massentauglich oder marktfähig mit dem Jahr 2014.

00:46:48 Christian Dietrich: Wenn wir mal nach Deutschland blicken, dann glaube ich, ist 2015 nämlich da der Bundestags-Hack, so ein Erwachensmoment gewesen. Das heißt also … klar war das vorher gerade so in der Infosec Community natürlich bekannt, Cyber Threat Intelligence, damit wusste dann jeder irgendwie was anzufangen. Aber 2015 ist es, glaube ich, in Deutschland so richtig angekommen und eben vielleicht auch so ein bisschen eben in der Gesellschaft, weil natürlich dieser Bundestags-Hack, der dann eben öffentlich auch diskutiert wurde, ja eine gewisse Breite erreicht hat. Und ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, dass sich seitdem vielleicht gar nicht mehr so viel getan hat. Also ich glaube, wenn man was beobachten möchte seitdem, dann ist es vielleicht, dass es weniger Ereignisse gibt, die öffentlich dokumentiert werden. Also ich glaube, dieser Trend, dieser APT1 Trend, sag ich mal, der hat abgenommen. Natürlich machen Companies immer noch Blogposts und hauen irgendwie Reports raus, aber nicht mehr, um zu zeigen: Guck mal, so cool ist unsere Threat Intel, oder so cool sind unsere Attributionsmöglichkeiten. Ich glaube, das hat abgenommen. Und die zweite Entwicklung, kann man vielleicht sagen, ist eben, dass wir mit der Ukraine Auseinandersetzung jetzt nochmal ein bisschen mehr auf potenzielle Cybergefahren gestoßen wurden. Aber das ist halt unheimlich schwer, das zu manifestieren in irgendeiner Form. Also, ich glaube, das ist im Moment noch nicht wirklich gut messbar, das wird noch ein bisschen dauern. Google und Microsoft haben da ja gerade so ein bisschen einen Versuch unternommen, da mal über das erste Jahr seit dem Beginn der Ukrainekrise so ein bisschen ein Fazit zu ziehen, über die unter anderem begleitenden Operationen im Cyberspace. Aber das wird sich noch zeigen, und meine Wahrnehmung ist auch, dass das in Deutschland jetzt nicht nochmal eine neue Entwicklung irgendwie angenommen hat.

00:48:36 Matthias Schulze: Das ist eine interessante Beobachtung. Also ich weiß gar nicht, ob das stimmt oder ob ich das auch so wahrnehme, dass es weniger wird, die Reports. Es kann natürlich sein. Müsste man mal messen, mal erheben. Vielleicht ist es aber auch einfach nur so, dass wir einen klassischen Produktzyklus haben. Das Thema ist hip und in, und 2014 dann ist es etabliert. Und dann muss man nicht mehr so viel Medienbuzz generieren, weil vielleicht auch viel dann schon in Lösungen und Produkte integriert wurde, sodass man diese qualitativen Reports am Ende des Tages vielleicht gar nicht mehr braucht. Ich spiele darauf ab, dass wir ja noch einen weiteren Mile Stone in der Entwicklung haben, und das ist eben, jetzt weiß ich immer nicht, wie man es auf englisch ausspricht, der Mitra ATT&CK Framework.

00:49:21 Lars Wallenborn: Mitra ATT&CK. Das ist die Cyber Kill Chain auf Koks.

00:49:25 Matthias Schulze: Nice. Genau. Also eine Art weitere Heuristik, eine viel ausgefeiltere Heuristik, um Angriffsverhalten zu klassifizieren, zu standardisieren und vergleichbar zu machen. Die heben stark auf Tactics, Technics und Procedures ab, also TTP und nicht mehr nur Indicators of Compromise. Ich weiß gar nicht, wie viele Kategorien haben die – 40 oder was, wie sie das einordnen?

00:49:48 Lars Wallenborn: Mindestens. Also, ich weiß nicht. Ich glaube, keiner kennt die irgendwie auswendig. Also die haben halt so eine riesengroße Tabelle, und ich glaube, was sie halt schon gemacht haben, dass also, so viel man die kritisieren will, was sie halt schon gemacht haben, ist, mal so eine Art Repository an Kram zu erstellen, das jetzt nicht unbedingt vollständig ist, aber das zumindest schon mal da ist, und das dann halt dann auch erweitern und so was.

00:50:10 Christian Dietrich: Also, sie versuchen einfach, alles zu katalogisieren, würde ich mal sagen,. Und das klappt in manchen Fällen gut, in manchen Fällen halt nicht. Aber das ist auch erwartungskonform. Es funktioniert halt nicht immer. Weil du immer die Frage hast, was ist das unterscheidende Kriterium, was du irgendwie anlegst. Du kannst irgendwie relativ gut argumentieren, dass du die Angriffstechnik Spear Phishing E-Mail von Exploitation of Internet Facing Webservers unterscheiden kannst. Das sind zwei irgendwie völlig verschiedene Dinge. Aber aber wie weit treibst du diese Unterscheidung der Techniken beispielsweise? Und genau … aber, wie gesagt, das ist glaube ich erwartungskonform. Damit muss man irgendwie umgehen können. Es ist schon nicht verkehrt, dass mal zu versuchen zu katalogisieren. Aber es hat eben auch seine Probleme.

00:50:56 Lars Wallenborn: Genau. Weil es halt auch zum Beispiel ermöglicht, dass man leichter drüber sprechen kann. Also wenn ich … wenn du das jetzt nennst Exploitation of Internet Facing Webserver, und jemand anders nennt das irgendwie Webserver Exploitation oder irgendwie ganz anders, dann könnte es ja zum Beispiel sein, dass zwei Leute das gleiche Akteurverhalten observieren, was ja interessant ist. Weil wenn man davon viele Overlaps hat, kann man dann vielleicht sagen, vielleicht haben diese beiden Incidence irgendwie ein Bezug zueinander, und das ist so ein bisschen so ein Vokabular, was da dann so vielleicht auch etabliert wird und so was alles genau. Ich glaube, die versuchen immer, vollständiger zu werden. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was da intern passiert. Und dann wird es halt vielleicht auch irgendwann absurd. Aber das geht auf jeden Fall jetzt zu weit. Mitra ATT&CK ist ein Ding, das …

00:51:38 Christian Dietrich: Ja, ich weiß gar nicht, ob ich das so hoch hängen würde. Also wie gesagt, ich glaube, das ist nicht verkehrt, das zu probieren, aber ein anderer Baustein, wo es super problematisch wird: Die versuchen ja auch eben auch, Gruppen und Akteure irgendwie zu katalogisieren. Und dann kommen wir ganz schnell in diese Diskussion, warum vereinheitlichen wir nicht die Akteursnamen über alle irgendwie Anbieter hinweg, und das – ich weiß nicht, ob wir das Feld jetzt hier aufmachen wollen , aber ja – haben wir, glaube ich, schon an verschiedenen Stellen mal diskutiert zumindest.

00:52:01 Lars Wallenborn: Also, ich möchte es aufmachen. Ich möchte dieses Feld aufmachen. Ganz dringend.

00:52:05 Christian Dietrich: Auf jeden Fall hat man eben auch da das Problem, dass unterschiedliche Bezeichner für möglicherweise die gleiche Gruppe oder verschiedene Ausprägungen der gleichen Gruppe, durchaus sinnvoll sein können. Weil sie auch eben die Sichtbarkeit auf die Gruppe abbilden. Allein das kann schon irgendwie ein Vorteil sein. Und wenn du dann katalogisieren willst …

00:52:24 Matthias Schulze: Jetzt hast du das Feld ja doch aufgemacht.

00:52:27 Christian Dietrich: Ich muss es ja irgendwie abholen, wenn ich es hier aufreiße. Ich kann es ja jetzt nicht hier aufreißen und dann irgendwie im Raum stehen lassen. Genau. Gut.

00:52:32 Lars Wallenborn: Genau. Also, Threat Actor Gruppennamen sind mehr ein Par aus der eigentlichen Gruppe und der Visibility, die man auf die Gruppe hat, die sich dadurch ergibt, wo man arbeitet, und so weiter.

00:52:46 Christian Dietrich: Wir haben ja gerade schon über eine ganze Reihe an Erzeugnissen im Kontext von Cyber Threat Intelligence gesprochen, zum Beispiel eben über Indicators of Compromise, aber auch über Reports, und vielleicht können wir uns mal so ein bisschen anschauen, was für Produkte gibt es denn eigentlich so? Also wie konsumiert man denn das? Oder nein, was gibt es denn zu konsumieren im CTI Kontext? Vielleicht kann man das am ehesten an den drei Ebenen von Cyber Threat Intelligence so ein bisschen festmachen, die, wie es sich für ein vernünftiges Modell gehört, natürlich auch nicht unumstritten sind. Also, was ich meine, ist eben die strategische, taktische und die operative Ebene von Cyber Threat Intelligence, die eben unterschiedlich abgebildet werden.

00:53:29 Matthias Schulze: Wir haben drei Ebenen. Fangen wir so an.

00:53:32 Christian Dietrich: Jetzt würden wir in der Informatik vermutlich eher von strategisch, taktisch und operativ sprechen. Die operative Ebene ist für uns so als Informatiker die Ebene, wo eben Indicators ausgetauscht werden, Indicator Feeds verbreitet werden und so weiter.

00:53:48 Lars Wallenborn: Die sind so richtig operativ, man sitzt so richtig am Keyborad und tippt so Tasten und schreibt so Code, der irgendwie so Indicator runterlädt und irgendwo hin kopiert und so weiter.

00:53:57 Christian Dietrich: Ja, genau, aber das sehen nicht alle so.

00:54:00 Matthias Schulze: Nee, da zeigt sich schön der Clash der verschiedenen Disziplinen, die wir hier am Tisch haben. Du sprichst über die Three Levels of Warfare oder Three Levels of War: Strategisch, operativ und taktisch. Das ist also aus dem Militärjargon, der versucht, verschiedene Ebenen von Kriegsführung zu konzeptionalisieren, und das ist so ein bisschen der geistige Ursprung dieser Einteilung. Ich finde immer die Erklärung ganz schön, um das Laien gewissermaßen verständlich zu machen: Strategisch ist die Frage, wie gewinne ich den Krieg? Wenn ich ein General bin oder eine Präsidentin oder ein Präsident, ist die strategische Ebene die Frage: Wie gewinne ich den Krieg? Da geht es um die Fragen wie mache ich meine Materialversorgung, woher kriege ich Öl für meine Kriegsschiffe? Welche Alliierten habe ich, die ich vielleicht mit reinehmen kann? Das ist also auf dieser hohen strategischen, manchmal auch politischen Ebene. Dann haben wir die operative Ebene, das ist gewissermaßen die Ebene der Operationen, der Kampagnen. Wenn wir den zweiten Weltkrieg mal als Beispiel nehmen, dann ist die operative Ebene so was wie die Invasion der Normandie. Operation Overlord ist die operative Ebene. Und die taktische Ebene, die ist dann da drunter, das ist die Ebene des einzelnen Gefechts, des Kampfes. Also, das ist das, was die Soldaten an den Stränden der Normandie für Manöver machen, um dem Maschinengewehrfeuer auszuweichen et cetera pp. Und das ist so eine leicht andere Heuristik als die operative Ebene, wie ihr sie verwendet, im Sinne von Development Operations und IT Operations und so weiter und so fort.

00:55:25 Christian Dietrich: Genau. Trotzdem lässt sich die grundsätzliche Idee, also auf verschiedenen Abstraktionsgraden zu arbeiten, ja übertragen auf CTI. Und da wäre sozusagen die strategische Ebene vielleicht eben so ein breiter Überblick über die Bedrohungslandschaft oder sich irgendwie mit Policy Dokumenten zu beschäftigen, China will die Seidenstraße ausbauen, und so was. Auf der taktischen Ebene würde man vielleicht eben versuchen, so was wie TTP’s zu beschreiben.

00:55:54 Lars Wallenborn: Auf der operativen Ebene.

00:55:57 Matthias Schulze: Es ist schon wieder passiert.

00:56:00 Christian Dietrich: Wir müssen mal bei Mitro ATT&CK nachgucken, wie die das eigentlich nennen. Also wiederkehrende Muster, Verhaltensmuster, die eben mehr Bestand haben als vielleicht eben nur für einen Incident. Und ich würde sagen, so eben auf der operativen – du musst jetzt sagen, taktisch – auf der operativen Ebene, da geht es halt um konkrete Indicators, also vielleicht direkt Operation …

00:56:28 Lars Wallenborn: Die Operationalisierung der Taktik. Bald versteht hier keiner mehr, wovon wir reden. Schön.

00:56:31 Matthias Schulze: Vielleicht hilft es auch nochmal kurz zu erklären, dass diese verschiedenen Ebenen – also es sind ja Heuristiken – um zu verstehen, wie detailliert Informationen sein müssen, und es geht auch darum zu erklären, dass verschiedene Stakes sozusagen existieren. Also die strategische Ebene ist zum Beispiel … wer ist auf der strategischen Ebene von Thread Intelligence? Das sind die CISO’s, die Chief Information Security Officer, das sind die oder der CO  reporten. Also Leadership Entscheidungen. Da geht’s um Management Entscheidungen. Da geht es um die Frage, welchen Business Impact hat der und der Angriff vielleicht, die Ransomware Kampagne? Ist das relevant für mein Business? Das ist so die strategische Ebene. Die operative Ebene, so wie ich sie jetzt verstehe, da geht es dann um die Ebene der Incident Responders, der Security Operations Teams, Verhaltensmusteranalyse, um Abwehrsysteme damit zu füttern. Das ist so das Operative. Welche Angriffsvektoren gibt es? Welche Schwachstellen werden benutzt, welche Command and Control Server werden benutzt et cetera pp. Und die taktische Ebene ist dann die der Indikatoren. Das ist dann die Ebene der Networkdefenders, der Security Operations. Das sind die, die die IOC’s dann blocken müssen, um sozusagen IP Adressen und so weiter auch zu sperren. Habe ich jetzt ganz doof erklärt, ihr wisst es besser als ich, vielleicht könnt ihr noch ergänzen.

00:57:47 Lars Wallenborn: Ganz im Gegenteil, das hast du ganz hervorragend erklärt. Ich hätte es auf keinen Fall so strukturiert über die Lippen gebracht, würde ich sagen.

00:57:53 Christian Dietrich: Und das bedingt natürlich auch, dass die resultierende Cyber Threat Intelligence unterschiedlich dokumentiert wird, nämlich auf einer strategischen Ebene eben genau nicht als Indicator Feed oder so was, sondern das sind eben genau diese geschriebenen Texte, das sind halt Reports. Und die müssen halt auch gelesen und irgendwie verstanden werden. Und jetzt können wir uns vielleicht nochmal so ein bisschen anschauen, was für Produkttypen kommen denn da so raus? Was ist denn … was sind so die Erzeugnisse von Cyber Threat Intelligence?

00:58:23 Matthias Schulze: Ja, da haben wir auf der auf der einen Seite natürlich schon mal die – du hast es ja gerade schon angesprochen – die, sagen wir mal, qualitativen Reports, also die Schriftprodukte, wie der APT1 Report von Mandiant, über die wir schon gesprochen haben. Die dienen also unter anderem auch der der Unterstützung der Entscheidungsträger:innen, von Unternehmen beispielsweise, oder von CISO’s. Und die sind also auf einer anderen Abstraktionsebene als zum Beispiel Indicator Feeds. Wollt ihr was zu Indicator Feeds sagen? Da kennt ihr euch definitiv besser aus als ich.

00:58:55 Christian Dietrich: Also da muss ich mal kurz …

00:58:56 Lars Wallenborn: Fürchterlich!

00:58:56 Christian Dietrich: Da muss ich mal kurz was anbringen,. Und zwar, ich habe mich natürlich gefragt, also jetzt, wenn man so ein Akademiker ist und so, da muss man natürlich mal gucken, was ist da so eigentlich wissenschaftlich publiziert?  Und es ist schon auffällig, dass finde ich zumindest, dass relativ wenig wissenschaftlich publiziert wird aus dem Bereich der Informatik, im Cyber Threat Intelligence Kontext. Natürlich ein paar Publikationen gibt es. Aber was machen die? Die versuchen, die Frage der Vergleichbarkeit von Threat Intel, dieser Frage nachzugehen, und was machen sie dann? Na ja, sie vergleichen im Prinzip resultierende Mengen an Indicators, die aus solchen Feeds irgendwie kommen. Das ist natürlich eine interessante Frage, aber das deckt ja eben bei weitem nicht jegliche Aspekte der Vergleichbarkeit von Threat Intelligence ab. Weil das ist jetzt wahrscheinlich spätestens klar geworden, wo wir diese klare Unterscheidung zwischen strategisch, operativ und taktisch gemacht haben.

00:59:55 Lars Wallenborn: Ganz klare Unterscheidung.

00:59:57 Christian Dietrich: Ich decke damit eben nur eine Ebene ab, anders geht’s halt nicht. Und natürlich ist es vielleicht eine ganz interessante Frage, wer hat mehr Indicators in seinem Feed? Aber so wirklich interessant ist die auch nicht. Denn je nachdem, was für eine Bedrohungsart ich mir anschaue, kann ich natürlich relativ leicht viele Indicators haben oder oder eben weniger. Also das ist halt unheimlich schwer und ist für mich so ein Ausdruck dessen, dass wir da möglicherweise in der Informatik auch nochmal viel überlegen müssen: Wie können wir so was messen, wie können wir vielleicht auch versuchen, Wissen aus diesen Reports irgendwie wieder raus zu ziehen? Das finde ich eigentlich, ist so technologisch vielleicht ganz interessant. So! Aber kommen wir mal zurück zu diesen Produkttypen. Was gibt’s denn da noch? Was wird denn noch so irgendwie auf den Markt geworfen und nennt sich Threat Intelligence?

01:00:45 Matthias Schulze: Oder Lars, wolltest du noch was zu Indicators sagen?

01:00:48 Lars Wallenborn: Ja, doch! Ich sage noch was zur Indicators. Das muss jetzt noch raus. Also, ich glaube, ein Problem, was da so ist: Manche Leute sagen, sie verkaufen Cyber Threat Intelligence oder sie kaufen jetzt auch Cyber Threat Intelligence ein, oder sie machen Cyber Threat Intelligence jetzt hausintern und so. Und alles, was da passiert, ist, IP’s blocken oder so. Und ich glaube, das ist eine Gefahr, wenn man quasi diesen Cyber Threat Intelligence Strohmann immer nur vor Augen hat, der nicht mehr kann als IP Adressen blocken oder Domains blocken oder so. Wobei das halt, wie wir jetzt gerade schon ziemlich gut ausgearbeitet haben, das adressiert immer nur die taktische Ebene. Und auch da ist es so …

01:01:24 Matthias Schulze: Also operativ.

01:01:24 Lars Wallenborn: Was? Ja, ja genau … da ist es auch so – ich glaube, es gibt kein gutes deutsches Wort dafür – Whac-A-Mole ist dieses Spiel, wo man mit so einem Hammer immer auf diesen Maulwurf draufschlagen muss, der aus einem Loch raus kommt. Und das ist das so mit Indicators. Also, man, man hat sich irgendwie überlegt, ich blocke jetzt diese IP Adresse. Dann stellt sich raus, so eine IP Adresse wird auch mal re-asigned an den anderen Server, dann kann man die nicht mehr blocken. Oder ich blocke jetzt diesen Domainnamen. Für einen Akteur ist super leicht, einfach einen anderen Domainnamen zu registrieren. Vorher war’s, wir blocken jede Datei, die exakt so aussieht. Das ist natürlich super leicht zu umgehen. Dann sagt man, wir schreiben irgendwie Signaturen für Dateien, die versuchen zu umschreiben, wie die Datei aussieht. Dann entwickeln Akteure halt Gegenmaßnahmen dagegen, um ihren Code zu obfuscaten und so, um so um Signaturen herumzukommen und so weiter. Und das ist nur, meiner Meinung nach, ein sehr simpler, sehr low hangig fruit Aspekt von Cyber Threat Intelligence, der aber natürlich sehr leicht zu verstehen ist, also relativ leicht. Also, man kann vielen Leuten schon sagen: Block diese IP Adresse, und dann blocken die diese IP-Adresse. Und diese Leute können dann vielleicht nicht so viel damit anfangen, wenn man denen sagt, ja, eine komplett flache Netzwerkinfrastruktur ist ungünstig, weil der Akteur dann sofort das gesamte Netzwerk kompromittiert, oder was weiß ich. Also, weil das vielleicht auch einfach dann Handlungsanweisungen impliziert, die sehr viel schwerer umzusetzen sind, als diese Liste von IP’s in meine Network Defence Produkte reinzukippen. So, jetzt bin ich fertig mit IOC’s.

01:02:55 Matthias Schulze: Hervorragend, da hast du noch ein gutes Stichwort gerade genannt. Also glaube, man kann diese CTI Produkte unterscheiden hinsichtlich der Quellen, die sie verwenden, also was die Grundlage ist. IOC Feeds, irgendwelche Darknet Market Analysen oder halt Auswertungen von Data Leaks beispielsweise, oder das Tracken von Cyberkriminellen Diskussionen im Darknet und in IOC Chanels, und was da sonst noch so benutzt wird. Telegramm, et cetera pp. Die Produkte unterscheiden sich hinsichtlich ihres Kontextreichtums. Also habe ich bloße Daten oder habe ich tatsächlich auch politische strategische Erwägungen mit drin? Und natürlich auch der Frage, ist das Handlungswissen? Also kann ich damit tatsächlich was machen, oder ist es einfach nur nice to know?

01:03:33 Lars Wallenborn: Genau. Das frage ich mich halt doch manchmal auch. Ich meine, ich weiß jetzt, über meine Firma wird im Darknet gesprochen. Ja, und jetzt? Was mache ich jetzt? Sage ich meinen Mitarbeitern jetzt, ihr werdet im Darknet besprochen, seid jetzt extra vorsichtig. Waren die vorher unvorsichtig? Dieses ganze Darknet Scraping Thema, da bin ich kein Fan von, sage ich mal. Sorry, aber ich hab dich unterbrochen, Matthias.

01:03:51 Matthias Schulze: Nee, ist ja ein absolut richtiger Einwand, das treibt ja wilde Blüten bisweilen. Also, ich habe hier eine Liste recherchiert von verschiedenen Intelligence Products. Das kommt, glaube ich, aus dem Recorded Future Handbuch, wenn ich mich richtig erinnere, und da gibt es einen ganzen bunten Blumenstrauß an verschiedenen Intelligence Produkten. Also ich liste mal auf: SecOps Intelligence, Vulnerability Intelligence, Threat Intelligence auf die Angreifer fokussiert, Threat Intelligence mit einem Risiko basierten Ansatz, Supply Chain und Third Party Intelligence, Geopolitical intelligence, Identity intelligence, also wenn es um Personendaten geht, Industrial Control System Threat Intelligence, et cetera, et cetera, et cetera. Also gibt es eine ganze Menge Zeug. Und dann stellst du konkret richtig die Frage: Brauche ich das wirklich alles? Oder ist da ist da auch einfach viel heiße Luft mit dabei?

01:04:39 Lars Wallenborn: Alles heiße Luft. Nein.

01:04:40 Matthias Schulze: Das ist natürlich auch so ein Marketing Handbuch, das geben sie frei verfügbar raus, das muss man, glaube ich, noch als Disclaimer mit dazu sagen. Das hat natürlich eine konkrete Werbefunktion für die CTI Plattform von Recorded Future. Ich habe aber noch einen schönen Spruch gelesen von Sans und – das ist ein Education Unternehmen in diesem Bereich – die haben gesagt, es geht gar nicht ums Produkt. Cyber Threat Intelligence is not a product, it’s a process. Also es ist am Ende des Tages ein Business Verarbeitungsprozess, und da ist es egal, welches Produkt ich dafür verwende. Ob das jetzt Open Source ist und frei verfügbar, oder irgend eine kommerzielle Lösung, ist am Ende des Tages egal, weil es um die Information und um die Handlungsfähigkeit dabei geht.

01:05:17 Lars Wallenborn: Ja, ich glaube, das bringt es schon so ein bisschen auf den Punkt. Ich meine, viele von den Begriffen sind wahrscheinlich auch einfach Marketingbegriffe, muss ja auch rein in so einen Marketing Pamphlet irgendwie, und das kann halt alles Mögliche heißen. Also, ich meine klar, Industrial Control Systems Threat Intelligence bezieht sich wahrscheinlich irgendwie auf Threat Intelligence für ICS, also für die Dinger, die unsere Trinkwasser Produktion steuern und so. Aber was das dann konkret heißt, ist natürlich eine andere Frage. Und auch, ob ich jetzt als Konsument davon damit was anfangen kann. Klar, wenn ich ein Trinkwasser Kraftwerk irgendwie betreibe, kann ich damit wahrscheinlich was anfangen, und dann ist das coverage hoffentlich auch gut. Aber wenn ich eine Bank bin, halt auf keinen Fall. Und wenn ich irgendwie noch ein kleineres Unternehmen bin, wahrscheinlich auch nicht. Ja, das sind halt alles sehr breite Begriffe, muss ich sagen. Also kann ich wirklich wenig mit anfangen, und ich kann mich überhaupt nicht in die Lage versetzen, wie schlimm das sein muss, wenn man noch nicht ich mal in der Branche arbeitet und entscheiden muss, ob man das kauft oder nicht. Da werden dann Entscheider irgendwie mit diesen Begriffen konfrontiert, und die müssen dann entscheiden, ja, das kaufen wir jetzt, und dafür geben wir signifikante Summen an Geld aus oder nicht. Und also, das muss eine sehr schwere Entscheidung sein, und da bin ich dankbar, dass ich die nicht treffen muss.

01:06:27 Matthias Schulze: Du hast ja jetzt eben schon beschrieben, dass wir also diesen ganzen Blumenstrauß an verschiedenen Produkten haben. Wir haben Feeds, wir haben Threat Intelligence Plattformen mit All Inclusive mit verschiedenen Features, und natürlich diese ganzen Genres, die auf bestimmte Branchen und Sektoren zugeschnitten sind, kritische Infrastrukturen, Industrial Control  Systems und so weiter und so fort. Wie geht man da jetzt wirklich ran, also wenn ich jetzt sagen würde, ich will oder ich brauche so was. Oder wie treffe ich denn die Entscheidung, brauche ich das? Und das bringt uns wieder zurück zur Frage: Ist das Ganze dann wirklich so sinnvoll? Und das ist die Frage, mit der wir eingestiegen sind. Vielleicht ist das auch ein ganz guter Weg, um da jetzt sozusagen langsam zum Schluss zu kommen. Brauchen wir das, oder hat sich das verändert, dass wir sagen: Nee, ist alles Quatsch?

01:07:10 Lars Wallenborn: Ich würde sagen, dass es bei diesem ganzen Computersicherheits … so ganz pragmatisch geht es bei der Computersicherheit ja gar nicht unbedingt darum, dass ich irgendwie perfekt sicher bin. Ich glaube, das wird man auch nicht erreichen. Also jeder Computer, der irgendwie mit dem Internet verbunden ist, und auch alle anderen sind allen möglichen Risiken ausgesetzt. Aber vielleicht geht es gar nicht so sehr darum, jetzt aus einer ganz pragmatischen Perspektive, dass man perfekt ist oder der in Anführungszeichen schnellste Büffel ist. Es geht nur darum, dass man nicht der langsamste Büffel ist. Weil die Büffel, die ganz hinten rennen in der Herde, die werden vom Löwen gefressen. Und vielleicht kann einem Cyber Threat Intelligence da so einen kleinen Boost geben, sodass man dann plötzlich doch nicht mehr der langsamste Büffel ist. Das wäre mein Fazit.

01:07:55 Matthias Schulze: Ja, also ich würde, glaube ich, das Argument kaufen, das in einem von diesen Broschüren gemacht wurde, dass es einer gut integrierten Organisation, die ein gut funktionierendes und finanziell ausgestattetes IT Team hat und Security Operations Center hat, dass es den Organisationen vielleicht in bestimmten kritischen Aspekten hilft, diesen kleinen zeitlichen Vorsprung von einem Angreifer zu haben. Das Argument kaufe ich. Aber da müssen natürlich viele Bedingungen erfüllt sein, damit das der Fall ist. Also, das Team muss effizient arbeiten, es muss genügend Ressourcen geben, damit auch wirklich dann ein Mehrwert draus generiert werden kann aus diesen Informationen. Für das jetzt auf ein kleines Unternehmen drauf zu werfen, die vielleicht gerade so die basalen IT-Sicherheitsfunktionen erfüllen können, für die ist es wahrscheinlich nicht sinnvoll. Was ich nicht weiß, und das ist wahrscheinlich die offene Frage, wie die Reise weitergeht. Ob das so diesen gängigen Markttrends folgt, dass man sagt: Okay, irgendwann wird das Zeug frei verfügbarer, es wird billiger, die Produkte werden diversifiziert, und am Ende des Tages können auch kleine und mittelständische Unternehmen diese Technologien nutzen, wie man es in allerlei anderen defensiven Technologien ja auch über die Jahre gesehen hat. Das mag ich, kann ich gerade noch nicht abschätzen. Vielleicht ist es so, vielleicht auch nicht.

01:09:11 Christian Dietrich: Für mich ist ein bisschen das, was ich aus der Folge heraus … ein Punkt, über den wir vorhin gesprochen haben, nämlich wie sieht es mit Threat Intel für, ich sag mal, kleine Organisationen aus? Also Organisationen, die eigentlich nicht groß genug sind, um selber Threat Intel verarbeiten zu können, weil sie einfach zu wenig Ressourcen haben, zu wenig Personal,  wie auch immer, und man das auch nicht aufbauen will, weil das irgendwie nicht wirtschaftlich ist? Was machen wir mit denen jetzt so aus so einer gesellschaftlichen Perspektive? Und da wird wahrscheinlich gerne mal der Ruf nach dem Staat irgendwie laut. Das ist vielleicht ja auch eine berechtigte Frage. Wie wird sich staatliche Threat Intel vielleicht verändern? Vielleicht, wie wird sie sich verändern müssen, wenn an manchen Stellen der Druck irgendwie mehr wird? Oder wird es andere Institutionen geben? Also wie gesagt, so was Genossenschaftliches oder irgendwie so Vereinigungen, Zusammenschlüsse, Vereine wie auch immer, die dann versuchen, vielleicht Threat Intel für bestimmte Bereiche, für bestimmte Arten von Organisationen wie Stadtverwaltungen irgendwie zu machen? Geht das überhaupt? Das ist für mich so eine offene Frage, die man vielleicht hier herausnehmen kann.

01:10:18 Matthias Schulze: Das ist der Call to Action. Wenn ihr dazu Ideen habt, dann dann lasst die uns bitte wissen, weil wir tappen hier im Dunkeln. Und das ist ja vielleicht auch eine schöne Frage für die Expertinnen und Experten da draußen, die da vielleicht auch ganz viele tolle Ideen oder vielleicht sogar ein Business Case für haben.

01:10:34 Christian Dietrich: Ja, wir hoffen, euch hat diese kollaborative Folge gefallen, und wir würden uns freuen, wenn ihr uns ein bisschen Feedback da lasst, vielleicht auf Twitter unter @armchairgators oder unter @perception mit  … das ist zu kompliziert. Wir machen es einfach in die Shownotes.

01:10:53 Lars Wallenborn: Irgendwo ist eine eins?

01:10:54 Matthias Schulze: Genau ja! Oder www.percepticon.de für die oldfashioned People unter euch, die gerne noch URL’s und Websites ansurfen.

01:11:03 Lars Wallenborn: Mir hat es jedenfalls Spaß gemacht. Es würde mich freuen, wenn ihr uns alle Folgen auf allen Plattformen, die ihr irgendwie habt, liked und subscribed und weiß ich nicht Sterne da lasst und Bewertung bei Apple … Ich weiß überhaupt nicht, wie dieser ganze Content Producer Kram geht, aber wäre cool, wenn ihr uns da was da lasst. Und ja, hat mir jedenfalls Spaß gemacht, und ich wünsche euch einen schönen Tag, oder Abend.

01:11:24 Matthias Schulze: Das Wichtigste ist, alle Armchair Investigators Folgen noch mal zu hören und am besten doppelt und dreifach auf allen verschiedenen Plattformen. Das wäre meine Empfehlung. Spaß beiseite. Mir hat es auch ganz viel Spaß gemacht. Ich glaube, das war eine ganz gute Mischung, die technische und die sozialwissenschaftliche Perspektive hier zusammenzubringen, war eine gute Sache. Vielen Dank dafür.

01:11:43 Lars Wallenborn: Danke dir auch.

01:11:44 Christian Dietrich: Danke auch von meiner Seite. Vielen Dank war echt lustig mit euch, hat Spaß gemacht, und bis bald.

#8 Close Access Operations — Cyberspionage Hautnah

Wenn Cyberagenten im gleichen Hotel wie ihre Ziele unterkommen und das Hotel-WLAN kompromittieren, dann fehlt die sonst übliche Distanz des Internets. In dieser Folge gehen wir auf eine Reise durch die Niederlande, die Schweiz und das Vereinigte Königreich. Wir folgen den Spuren der Cyberspionen, beleuchten wie sie vorgehen und welche Werkzeuge sie benutzen.

Shownotes

Transkript anzeigen…

00:00:20 Christian Dietrich: Hallo liebe Cyberfreunde. Mein Name ist Chris und ich bin Professor für Cybersicherheit an der Westfälischen Hochschule.

00:00:28 Lars Wallenborn: Und hallo, ich bin Lars. Ich arbeite als Softwareentwickler und Reverse Engineer bei CrowdStrike.

00:00:34 Christian Dietrich: Wir haben uns heute ein Thema rausgesucht, das ein bisschen weniger mit Malware, aber dafür mehr mit Spionage zu tun hat. Dazu versetzen wir uns noch mal in die Lage der Olympischen Sommerspiele 2016. Die waren nämlich in Rio, in Brasilien. Das Besondere an diesen Olympischen Sommerspielen war – und dazu müssen wir noch mal ein paar Jahre zurückschauen, nämlich zwei Jahre zurück zu den Olympischen Winterspielen, die 2014 in Sotschi in Russland stattfanden, – dass hier eine relativ wichtige Entscheidung noch ausstand. Nämlich die, ob russische Athletinnen und Athleten teilnehmen dürfen an den Olympischen Sommerspielen. Denn zwei Jahre vorher, also bei den Olympischen Winterspielen, war Russland die mit Abstand erfolgreichste Nation, also über 30 Medaillen insgesamt, davon elf Goldmedaillen. Aber durch Ermittlungen im Zusammenhang mit Doping sind insgesamt dann 48 Medaillen von russischen Athletinnen und Athleten zurückgezogen worden. Mehr als nur für die Olympischen Winterspiele 2014.

00:01:41 Lars Wallenborn: Und das war schon ein ziemlich großes Ding. Das ist zentral rausgekommen durch so eine ARD Dokumentation, die hieß „Geheimsache Doping. Wie Russland seine Sieger macht.“

00:01:49 Christian Dietrich: Von Hajo Seppelt.

00:01:51 Lars Wallenborn: Es gibt von dieser Dokumentation auch so eine Transkription, die wurde dann auch übersetzt. Wahrscheinlich, damit sie irgendwie in Anklageschriften verwendet werden kann und so weiter. Und die kam halt dann im Dezember 2014 raus und hat rausgebracht, dass Russland im großen Stil Doping bei den Olympischen Spielen unterstützt. Von staatlicher Seite. Und das hat wahrscheinlich viele Gründe. Ich denke mal, die Olympischen Spiele sind für viele Staaten ein richtiges wichtiges Ding – und gerade für Russland. Das spielt da, glaube ich, eine große Rolle. Das hat mit Nationalstolz zu tun, und hat man auch, glaube ich, viel genutzt damals, um von anderen innenpolitischen Problemen abzulenken. Und deswegen kam das gar nicht so gelegen, dass jetzt öffentlich wurde, wie da gedopt wurde und dass da gedopt wurde.

00:02:37 Christian Dietrich: Und weil dieses Thema eben von so hohem Interesse ist, also auch von politischem Interesse, macht es natürlich aus russischer Perspektive Sinn, dass man hier die Nachrichtendienste darauf ansetzt, als erste zu wissen, ob Russland denn jetzt ausgeschlossen wird oder nicht von den Olympischen Sommerspielen.

00:02:54 Lars Wallenborn: Genau. Ich fasse das noch mal kurz auf der Zeitleiste zusammen. 2014 waren die Olympischen Winterspiele in Russland in Sotschi, dann kamen die Dopingvorwürfe und dann musste entschieden werden, ob bei den Olympischen Sommerspielen zwei Jahre später, Russland überhaupt noch mitmachen darf oder nicht.

00:03:11 Christian Dietrich: Genau. Und in dem Moment betritt im Prinzip die erste Person die Bühne, die heute in der Folge noch mehrmals zutage treten wird. Und hier handelt es sich um einen russischen Agenten mit dem Namen Serebriakov, der eben auch zurzeit der Olympischen Sommerspiele in Rio vor Ort war. Das war nicht das erste Mal, dass er da war. Denn etwa einen Monat vorher war er schon mal für neun Tage in Rio. Und wir wissen gar nicht genau, was er da vor Ort gemacht hat, aber es ist ziemlich klar, dass er hier im Auftrag des russischen Nachrichtendienstes GRU nach Rio gereist ist. Die Olympischen Sommerspiele fanden statt und russische Athletinnen und Athleten durften teilnehmen, wenn auch unter etwas kuriosen Bedingungen, durften also nicht wirklich Russland vertreten in allen Disziplinen. Die Details ersparen wir euch da jetzt. Auf die wollen wir nämlich gar nicht unbedingt näher eingehen. Der interessante Teil der Geschichte, der beginnt nämlich nochmal etwa einen Monat später und der findet maßgeblich in Lausanne in der Schweiz statt.

00:04:18 Lars Wallenborn: Und dafür müsste man vielleicht wissen, auf welcher Basis so jemand überhaupt ausgeschlossen wird von den Olympischen Spielen. In dem Fall war es so, dass die WADA – das ist so eine weltweit operierende Organisation gegen Doping – die hat gegenüber dem Komitee, das die Olympischen Spiele ausrichtet, empfohlen, Russland komplett auszuschließen. Und in Lausanne – das was du jetzt ansprechen möchtest – da hat die nämlich eine Konferenz veranstaltet. Und da spielte Russland eine große Rolle. Wir haben uns mal so ein Meeting Protokoll runtergeladen. Wenn man darin nach Russland sucht oder nach Russia sucht, dann sind da auch 33 Hits. Also ich vermute mal, in diesem Meeting wurde da viel drüber gesprochen, auch wenn ich dieses ewig viele Seiten Dokument gar nicht komplett selber gelesen habe.

00:05:00 Christian Dietrich: Und der vorher benannte russische Agent Serebriakov war natürlich auch in Lausanne. Und zwar war er hier vom 18. September bis zum 22. September. Das ist eben genau der Zeitraum, in dem auch die von der WADA organisierte Anti Doping Konferenz stattfand. Und zwar in einem Hotel mit dem Namen Alpha Palmiers. Genau in diesem Hotel haben eben Serebriakov und ein Kollege von ihm sich auch zu dieser Zeit aufgehalten. Also die haben sich quasi aufgeteilt, einer war in dem Palmiers und einer war in dem anderen Hotel, das direkt um die Ecke war.

00:05:38 Lars Wallenborn: : Oder es waren einfach zwei russische Spione zufällig in der Schweiz im Urlaub, während eine Anti Doping Konferenz stattgefunden hat. Ein weiteres Event, das ein paar Monate nach dieser Konferenz und nach diesem Aufenthalt dieser beiden Spione in der Schweiz stattgefunden hat, oder was sich ereignet hat, war, dass das Canadian Centre for Ethics in Sport seine Netzwerke abgeschaltet hat. Das war im November 2016, also wie gesagt kurz danach. Wir können jetzt nicht nachweisen, dass das was damit zu tun hatte, aber man vermutet, dass da ein Hackerangriff stattgefunden hat. Und es ist möglich, sage ich mal, dass diese beiden Sachen irgendwas miteinander zu tun haben. Und eine Sache, die da passiert sein könnte, ist, dass diese beiden Spione in diesem Hotel in der Schweiz – da waren ja alle möglichen Abgesandten von allen möglichen Ländern da, auch aus Kanada – dass die da vielleicht Informationen akquiriert haben oder sogar Zugangsdaten irgendwie eingesammelt haben von den Leuten, die da in dem Hotel waren. Um dann einen Hackerangriff, einen Angriff auf dieses Canadian Centre for Ethics in Sport zu ermöglichen, zu einem späteren Zeitpunkt. Und solche Operationen, dass man einen Angreifer irgendwo hinschickt, in die physische Nähe seiner Ziele, solche Operationen nennt man Close Access Operations. Und darüber wollen wir heute reden.

00:07:00 Christian Dietrich: Du hast das gerade so vorsichtig formuliert, dass es möglicherweise diesen Zusammenhang geben kann zu der Abschaltung des Netzwerks, da im Canadian Centre for Ethics in Sport. Ich glaube, das ist tatsächlich ziemlich belastbar. Ich glaube, man hat da den Kausalzusammenhang tatsächlich herstellen können, indem man eben beobachtet hat, dass die beiden Agenten – unter ihnen eben einmal hier Serebriakov und sein Kollege – tatsächlich versucht haben, hier Malware auf dem Notebook eines Offiziellen des Canadian Centre for Ethics in Sport zu platzieren. Genau. Aber das ist eben Kern einer Close Access Operation, wenn man in physikalischer Nähe zur Zielperson ist.

00:07:44 Lars Wallenborn: Also um die Zeitlinie jetzt noch mal so ein bisschen ordentlich aufzubereiten: 2014 Olympische Winterspiele in Russland. Kurz danach kommt raus, dass Russland ein staatlich organisiertes Dopingprogramm hat. 2016 werden sie so semi ausgeschlossen von den Olympischen Spielen in Rio. Dort taucht dann unser Hauptakteur auf, Serebriakov. Kurz danach, im gleichen Jahr – auch 2016 – in der Schweiz, taucht er wieder auf: Auf einer Anti Doping Konferenz mit einem Kollegen zusammen. Und kurz danach werden wahrscheinlich Daten, die da gesammelt wurden, gegen eine kanadische Organisation eingesetzt, um da einzufallen. Kommen wir zur zweiten Geschichte.

00:08:20 Christian Dietrich: Im Folgejahr betritt ein anderer Agent – aber am selben Ort, nämlich auch in Lausanne – die Bühne, nämlich Sergejew. Und diesmal fand das WADA Annual Symposium in Lausanne statt. Es geht also wieder um Anti Doping. Und wieder ist ein vermeintlicher russischer Agent in der Nähe. Und dieser Agent Sergejew, der verknüpft das Ganze noch mal mit einem weiteren Vorfall, mit einem größeren Vorfall, über den wir jetzt als zweites sprechen wollen. Nämlich den Anschlag, den Vergiftungsanschlag gegen Sergej Skripal und seine Tochter.

00:08:55 Lars Wallenborn: So, und dieser Sergejew, der verknüpft jetzt ganz leicht diese beiden Ereignisse. Also der war 2017 in Lausanne und 2018 war er sehr zentral in die Vergiftung der Skripals verwickelt. Also man sagt, er hat da irgendwie die Operation on the Ground irgendwie vor Ort koordiniert. Ich glaube, also man vermutet, dass er nicht selber den Giftstoff ausgebracht hat, aber dass er irgendwie dabei geholfen hat oder das irgendwie koordiniert hat da, und war auch vor Ort in England.

00:09:26 Christian Dietrich: Jetzt müssen wir vielleicht noch mal kurz aufrollen, wie die Skripal Vergiftung und wie auch die Aufklärung danach so ein bisschen passiert ist. Sergej Skripal und seine Tochter wurden am 4. März 2018 in Salisbury in England mit Nowitschok vergiftet. Das ist ein Nervengift. Beide überleben nur knapp. Und dazu muss man vielleicht sagen, Skripal war Doppelagent. Also ehemaliger Agent des russischen Militärnachrichtendienstes GRU, der ja eben schon mal zur Sprache kam, ist dann angeworben worden vom britischen MI6, also quasi Doppelagent. Und na ja, es wurde berichtet, unter Berufung auf einen ranghohen Mitarbeiter der NATO Spionageabwehr, dass Skripal bis 2017 für insgesamt vier Nachrichtendienste von NATO Staaten gearbeitet habe. Also Skripal war da vielleicht …

00:10:16 Lars Wallenborn: Ziemlicher „busy beaver“ irgendwie.

00:10:17 Christian Dietrich: Genau.

00:10:18 Lars Wallenborn: Das war ein Riesending damals, 2018. Das war richtig in den Massenmedien. Und das Besondere an diesem Nowitschok Nervengift ist auch, dass ist so eine russische Entwicklung. Inzwischen steht das wahrscheinlich vielen Akteuren zur Verfügung aber es hat immer eine ganz starke Signalwirkung. Wenn heutzutage noch jemand mit Nowitschok vergiftet ist, dann kann man lapidar sagen „Die Russen waren’s und wollen auch signalisieren, dass sie es waren.“ Und das ergibt ja in dem Fall auch Sinn, dass da quasi der russische Geheimdienst ein Zeichen setzen wollte, dass das mit diesem Doppelagent sein, dass das nicht läuft.

00:10:49 Christian Dietrich: Natürlich läuft nach so einem Anschlag die Aufklärung an. Und da muss man eben sagen, gibt es hier vielleicht zwei wichtige Teile. Nämlich zum einen, da das Ganze in England passiert, gibt es natürlich englische, also britische Institutionen, Polizei und so weiter, die das versuchen aufzuklären. Und darüber hinaus gibt es aber noch eine ziemlich wichtige Organisation, die hier auch involviert ist, nämlich die OPCW. Und die OPCW, also wofür steht das? Das ist die Organisation for the Prohibition of Chemical Weapons. Oder auf Deutsch, die Organisation für das Verbot chemischer Waffen. Das ist eine unabhängige internationale Organisation, die durch die Vertragsstaaten der Chemiewaffenkonvention begründet wurde. Also eine internationale Organisation, keine direkte UN Organisation. Die ist 1997 gegründet, sitzt in Den Haag in den Niederlanden, und so kommen eben auch die Niederlande hier so ein bisschen ins Spiel. Und die Niederlande als Gastgeber haben eben die Aufgabe, die OPCW zu beschützen. Und jetzt ist eben folgendes passiert: Man hat eben nicht nur das Ganze durch britische Institutionen aufklären lassen, sondern man hat eben auch die OPCW involviert. Oder die OPCW hat sich ins Spiel gebracht, weil sie eben sehr viel Expertise hinsichtlich der Analyse von chemischen Kampfstoffen hat. Und darunter fällt eben auch Nowitschok, das hier verwendete Nervengift. Die OPCW scheint ein Geheimlabor zu betreiben, aber bedient sich durchaus auch anderer akkreditierter Labore. Und eins davon ist das Labor Spiez in der Schweiz. Und es ist gut möglich, dass das Labor Spiez auch mit einer Analyse von Nervengiftproben beauftragt wurde. Kommen wir zurück zu unserer Person Serebriakov. Denn was bringt diese Person hier ins Spiel? Bis jetzt muss man sagen, gibt es eigentlich noch keinen Link zwischen Serebriakov und dem Skripal Anschlag. Außer, dass Serebriakov für die selbe Organisation arbeitet wie Sergejew. Das ändert sich aber, als Serebriakov im April 2018 – am 10. April, also knapp einen Monat nach der Vergiftung von Skripal – in Amsterdam mit dem Flugzeug landet, mit dem Ziel, nach Den Haag weiterzufahren. Zu dem Zeitpunkt war aber auch schon relativ klar, dass es etwa sieben Tage später weitergehen sollte. Nämlich nach Basel, in die Schweiz.

00:13:23 Lars Wallenborn: Gut, dann wollen wir uns jetzt mal Serebriakov und sein in Anführungszeichen soziales Netzwerk anschauen, also die Leute, mit denen er da wahrscheinlich unterwegs ist. Denn wie sich rausstellt, war er weder in der Schweiz, noch die paar Jahre später in Den Haag alleine unterwegs, sondern hatte da einige Leute dabei, oder mindestens irgendeine andere Person dabei.

00:13:45 Christian Dietrich: Wir wollen uns dabei insbesondere auf den Vorfall in Den Haag konzentrieren, denn hier waren vier russische Agenten im Einsatz. Serebriakov und ein Kollege, der ähnlich wie Serebriakov technisch ausgelegt war. Also ein IT-affiner Agent, ein Cyberagent, könnte man sagen. Die beiden waren aber nicht alleine unterwegs, sondern die hatten eben HUMINT Support, also zwei weitere Agenten an ihrer Seite, die ebenfalls namentlich bekannt sind. Genau. Die zum Beispiel den Wagen gemietet haben, mit dem man dann irgendwie vom Flughafen Amsterdam Schiphol nach Den Haag gefahren ist, und so weiter. Die immer zugesehen haben, dass man den Müll irgendwie einsammelt und mitnimmt, damit man vielleicht nicht irgendwo Spuren hinterlässt und so weiter.

00:14:33 Lars Wallenborn: Du hast jetzt gerade einfach mal so en passant HUMINT verwendet. Vielleicht sollte man dann noch ganz kurz kommentieren, was du meintest. Die hatten zwei Leute dabei als HUMINT Support. Also HUMINT – es gibt ganz viel -INT, und HUMINT ist eine Form davon. Das bezeichnet verschiedene Formen von Intelligence und HUMINT steht für Human Intelligence, und das ist dieser ganze Klischee-Spion-Kram. Also Leute, die undercover irgendwo hingehen und wie du gerade gesagt hast, ihren Müll nirgendwo zurücklassen und falsche Papiere dabei haben. Also dieser Hollywoodfilm-Spion-Stuff mit Leuten mit Aktenkoffern voller Geld, und verschiedenen Ausweispapieren für verschiedene Länder, und so weiter und so fort. Und zwei davon waren dabei, die hießen Minin und Sotnikov. Und diese vier sind dann in Amsterdam gelandet. Am Flughafen haben sie sich dann ein Auto gemietet – da sind doch irgendwie so Quittungen rausgekommen – und sind mit diesem Auto dann zur OPCW gefahren.

00:15:36 Christian Dietrich: In Den Haag angekommen, ja, wie geht man da jetzt vor? Also es wird relativ offensichtlich aus dem Folgenden, dass es eben wieder eine Close Access Operation werden soll. Warum? Weil sie zunächst mal im Marriott Hotel direkt neben dem OPCW Gebäude einchecken. Das ist relativ gut und detailliert dokumentiert, weil eben die niederländischen Behörden hier diese Personengruppe observiert haben. Das heißt, die sind denen gefolgt. Und die haben eben alle Aktionen im Auge gehabt, haben diese Gruppe aber erst mal gewähren lassen. Jetzt muss man sich vorstellen, die fahren also mit ihrem Auto auf den Parkplatz vorm Hotel – das kann man sich vielleicht wirklich ganz gut aus so einer Vogelperspektive vorstellen – und da gibt es so einen relativ durchsichtigen Zaun, der … das ganze also im April, Anfang April, da waren die Bäume noch nicht wirklich grün … man konnte also ziemlich gut durch diesen Zaun sehen, auf das OPCW Gebäude. Und wo stellen die hier Auto hin? Ja natürlich in den Spot des Parkplatzes, wo sie irgendwie mit dem Kofferraum in Richtung OPCW zeigend parken können.

00:16:45 Lars Wallenborn: Und der Kofferraum? Der ist vollgestopft mit Hacker Tools. Da sind so Wi-Fi Antennen mit großer Reichweite drin, Batterien um Laptops und Computer zu betreiben, ein kleiner Transformer, um da irgendwie von den Batterien den Strom umzuspannen, und so weiter und so fort.

00:17:02 Christian Dietrich: Einige Handys …

00:17:04 Lars Wallenborn: Handys auch noch. Genau. Dieses ganze Equipment wurde dann später untersucht und man hat versucht wieder zu rekonstruieren, wofür das gedacht war. Und so wie das aussieht, waren quasi die Leute vor Ort dafür verantwortlich, dieses Equipment da auszurichten und zu betreiben, damit dann weitere Cyber Operateure aus der Ferne darüber dann das OPCW Netz kompromittieren können.

00:17:27 Christian Dietrich: Jetzt muss man sich eben vorstellen, das Auto ist geparkt, der Rechner wird hochgefahren oder die Rechner werden hochgefahren, die LTE Verbindung wird hergestellt, die Wi-Fi Antenne wird irgendwie in Position gebracht, noch so ein bisschen mit so einem Mantel abgedeckt, und jetzt schlagen die niederländischen Behörden eben zu. Also jetzt erfolgt ein Zugriff und die werden eben in flagranti erwischt. Jetzt muss man sich vorstellen: Mindestens einer von den Betroffenen checkt sofort, was Sache ist, schmeißt Handys auf den Boden, tritt drauf, also versucht auf die Art und Weise irgendwie Beweise zu vernichten. Aber die Lage ist eigentlich unmissverständlich jedem klar. Genau. Und in der Folge wird eben auch alles an Material dokumentiert durch die Niederländer. Und ein Großteil dieses Materials, würde ich sagen, ist eben auch öffentlich zugänglich. Oder unter anderem gibt es hier eine ganze Reihe an Spuren, die belegen, dass Serebriakov eben auch in Rio war. So schlägt sich der Bogen zu der Geschichte, die wir am Anfang erzählt haben. Und dass bereits Zugtickets gebucht waren, in die Schweiz. Nämlich nach Basel. Und von da aus möglicherweise weiter in Richtung Labor Spiez.

00:18:35 Lars Wallenborn: Und das war so richtig … also hat man so richtig Computerforensik gemacht. Also da kann man sich so richtig vorstellen, dass das, was wir Techies machen, dass das da eine Rolle spielt. Also hat sich jemand hingesetzt und den Laptop analysiert und herausgefunden, zu was für Wi-Fis der vorher connected war. Und da sind halt diese ganzen Sachen aufgeploppt, die du gerade erwähnt hast, Chris. Irgendwie das Palace Hotel in Lausanne und dann noch irgendwelche Wi-Fis, die man in Rio irgendwie zugeordnet hat, aber auch so was wie das Wi-Fi vom von einem russischen Flughafen und so weiter. Also da hat man so richtig schön technische Analysen gemacht, die dann da diese ganzen Fälle wieder zusammengezogen haben. Genau. Um das nochmal gerade so ein bisschen zusammenzufassen, weil es waren jetzt viele Namen, viele Zeiten, viele Personen: 2016, Serebriakov und ein Kollege, der Morenets, sind in Lausanne. Wahrscheinlich um für Russland da entweder Zugang zu besorgen zu Leuten, die an dieser Konferenz teilnehmen oder vielleicht auch einfach als Rache dafür, dass da Russland von den Spielen ausgeschlossen wurde und so. Und zwei Jahre später sind sie wieder für eine ähnliche Operation, aber in einem anderen Auftrag unterwegs, und zwar diesmal in den Niederlanden. Da sind sie beim OPCW und sollen da auch wieder so eine Close Access Operation durchführen und naja, also wurden da quasi in flagranti, kurz bevor sie wirklich losgelegt haben, erwischt und die Operation wurde abgebrochen. Und auch die darauffolgend geplante Operation, die wahrscheinlich dann auf das Labor Spiez es abgesehen hatte, wurde auch direkt mit vereitelt. Also ich ziehe meinen Hut vor den niederländischen Ermittlern hier, die da den Sack zugemacht haben.

00:20:18 Christian Dietrich: Richtig schön Gegenspionage gemacht. Ja, vielleicht beleuchten wir jetzt mal so ein bisschen, warum macht es überhaupt Sinn, Close Access Operationen zu machen?

00:20:29 Lars Wallenborn: Weil erst mal ist das natürlich super aufwendig. Also ich kann mir vorstellen, dass erst mal ich persönlich, wenn ich ein Hacker wäre, dann würde ich viel lieber vor meinem Computer sitzen, als dass ich durch die Weltgeschichte gondle, mit meinem eigenen Körper, der dann vielleicht verhaftet wird und ich in einem Gefängnis lande oder solche Dinge. Da bleibe ich doch lieber zu Hause vor meiner Tastatur sitzen.

00:20:51 Christian Dietrich: Vor allem, wenn man das vergleicht mit den sonstigen Infektionsvektoren, die wir so vorgestellt haben im Cyberbereich. Also sprich Spear-Phishing Mails verschicken. Hört euch dazu vielleicht noch mal die Folge zu Olympic Distroyer an…

00:21:03 Lars Wallenborn: Das heißt, es ist also viel billiger in gewisser Weise, diese Cyberoperationen aus der Ferne durchzuführen. Warum überhaupt Close Access? Warum überhaupt Leute mit einem Flugzeug durch die ganze Weltgeschichte gondulieren?

00:21:16 Christian Dietrich: Vermutlich auch viel weniger Risiko behaftet.

00:21:18 Lars Wallenborn: Genau. Man hinterlässt viel weniger Spuren. Also auch, wenn man meiner Meinung nach Spuren im Cyberspace hinterlässt. Wenn man im physischen Raum sich bewegt, hinterlässt man viel mehr Spuren, da hinterlässt man Zeugenaussagen, da hinterlässt man vielleicht irgendwelche Quittungen und eventuell auch seinen Müll, wenn man nicht aufpasst und so weiter.

00:21:38 Christian Dietrich: Trotzdem gibt es natürlich Ziele, die mit solchen Close Access Operationen verfolgt werden. Das kann zum Beispiel eben sein: Typische Collection Requirements. Also quasi, dass man einfach Informationen sammelt, an die man vielleicht auf anderem Wege eben nicht unbedingt kommt. Oder man hat es probiert und es funktioniert vielleicht nicht so. Das heißt Spear-Phishing Mails funktionieren vielleicht aus irgendwelchen Gründen nicht oder funktionieren nicht in time. Also man hat ja auch einen gewissen zeitlichen Rahmen, in dem man vielleicht so ein Ziel einer Mission erfüllen muss. Und wenn das nicht klappt, macht es vielleicht Sinn, auf eine Close Access Operation zurückzugreifen. Und dieses Informationen gewinnen kann zum Beispiel ja bedeuten, dass man Netzwerkverkehr mitschneidet. Das heißt, wenn ich in dem Hotel Wi-Fi bin, in dem gleichen Hotel Wi-Fi wie mein Ziel, dann habe ich vielleicht andere Möglichkeiten, den Verkehr mitzuschneiden, als ich das aus der Ferne hätte.

00:22:32 Lars Wallenborn: Und Verkehr mitschneiden ist natürlich attraktiv, aus ganz vielen verschiedenen Gründen. Also erst mal, wenn sich da jemand über eine unverschlüsselte Verbindung irgendwo einloggt – und das ist früher mehr passiert als heute, aber ich meine, selbst heute passiert das noch – dann kann man vielleicht die Zugangsdaten, die da verwendet wurden, mitschneiden. Man kann, wenn über diese unverschlüsselten Netzwerkverbindungen so sensitives Material übertragen wurde wie irgendwelche Dokumente oder E-Mails, kann man die auch mitschneiden und für alle möglichen Dinge verwenden. Zum Beispiel um sie zu leaken oder um sogenannte Tainted Leaks durchzuführen. Das sind Leaks, in denen man noch so ein paar Falschinformationen reinpackt, sodass das insgesamt sehr glaubwürdig und whistleblowy aussieht, aber letztendlich dann doch die Ziele von dem Akteur verfolgt, der das geleakt hat. Oder zu guter Letzt, oder wie sagst du immer?

00:23:21 Christian Dietrich: Das jute alte Kompromat. Was ist das denn eigentlich?

00:23:27 Lars Wallenborn: Das sind nicht öffentliche Informationen, die rufschädigend sind. Das ist auch, ich glaube, das ist sogar irgendwie ein Begriff, der…

00:23:35 Christian Dietrich: Ein russischer Begriff, glaube ich.

00:23:37 Lars Wallenborn: Ein russischer Begriff. Und das bezeichnet halt einfach, du hast irgendwie belastendes Material …

00:23:42 Christian Dietrich: Kompromittierendes Material.

00:23:44 Lars Wallenborn: … kompromittierendes Material, Urlaubsfotos von einem Politiker mit seiner Geliebten am Strand oder so was halt. Aber die Hoffnung ist halt, dass wenn man jetzt vor Ort ist, dann ist man da im gleichen Wi-Fi und kann eventuell diese ganzen Daten mitschneiden. Diese Daten, die verlassen dieses Wi-Fi eventuell nicht, oder verlassen es erst und sind dann verschlüsselt, oder sind dann halt im Internet als Ganzes, wo man sehr viel schwerer rankommt als direkt vor Ort. Und eine zweite Sache, die man da eventuell machen kann, neben diesem Collection, wäre auch Access. Also Zugang zu Computersystemen sich zu verschaffen, indem man da irgendwie versucht Rechner zu infizieren. Und das ist jetzt noch nicht mal unbedingt der berühmte USB-Stick wie in einem Film, der reingesteckt wird, um dann irgendwie Malware auf dem Computer zu installieren, während der Besitzer des Laptops gerade auf dem Klo ist oder so was. Da kann man vielleicht auch noch ganz andere Dinge tun. Also wie gesagt, ich habe ja noch nie irgendwas offensives gemacht. So cool es auch wäre, es gemacht zu haben. Aber ich könnte mir vorstellen, was man alles machen kann, wenn man so ein Wi-Fi, so ein WLAN kompromittiert. Da gibt es ja meistens so Dinger, wenn man sich in Wi-Fi einloggt, wo man dann noch bestätigen muss: Hier, ich akzeptiere die AGBs, und meine Zimmernummer ist die und die. Diese Dinger nennt man Captive Portals. Und man könnte die zum Beispiel manipulieren, sodass da dann, weiß ich nicht, ein Text draufsteht, der so was heißt wie: Um ins Internet zu kommen, musst du das hier downloaden und ausführen. Und dann laden die Leute das runter und führen es aus. Weil das ist ja das Captive Portal vom Hotel, die werden schon nichts machen.

00:25:15 Christian Dietrich: Jetzt können wir vielleicht noch mal kurz ein bisschen den Bogen schließen. Was wir nämlich wissen ist, dass unsere russischen Agenten in Lausanne Access, also Zugriff, auf andere Systeme bekommen haben. Sie haben eben mindestens das WLAN in dem Hotel, in dem sie waren, kompromittiert. Und sie haben eben mindestens einen Computer kompromittiert, nämlich den von diesem kanadischen Offiziellen. Wir wissen aber nicht, wie sie genau technisch vorgegangen sind. Das ist also nicht öffentlich dokumentiert. Aber da hast du ja gerade schon so ein paar Ideen in den Raum geworfen und vielleicht können wir da noch mal ein paar weitere Beispiele sammeln, um einfach so ein bisschen zu verdeutlichen vielleicht, was man da so tun kann und was da vielleicht so die Gefahren sind.

00:25:57 Lars Wallenborn: Und was überraschend daran ist, man braucht gar nicht so viel Equipment. Also man muss nicht den Kofferraum voller Hacker Tools haben, um so was zu tun. Also ich sage mal, für so eine Low Key Close Access Operation reicht eigentlich schon ein Laptop mit einer guten WLAN Karte. Die WLAN Karte muss so was können, das nennt man Promiscuous Mode, und dann kann man schon sehr viel Wi-Fi Traffic mitschneiden. Das heißt nicht unbedingt, dass man allen Wi-Fi Traffic kriegt. Gerade heutzutage, da wird doch alles immer immer besser mit dem Datenschutz und so. Aber damit kommt man schon ein ganzes Stück weiter. Und du hast dir, glaube ich, auch so ein paar Sachen ganz konkret angeguckt, oder?

00:26:31 Christian Dietrich: Ja, ich habe mir mal eine Sache angeschaut. Genau. Super Interessant finde ich folgendes: Die ganzen Pentester kennen das wahrscheinlich, klar, das ist irgendwie altbekannt. Aber Windows, das Betriebssystem, was vermutlich ja viele auf ihren Rechnern irgendwie zum Einsatz bringen, das hat so einen Mechanismus, der nennt sich Link Local Name Resolution. Das heißt, das vertraut unter gewissen Voraussetzungen seinen Nachbarn, sag ich mal. Und damit meine ich die Rechner, die im selben Netzsegment liegen. Und das ist vermutlich bei einem WLAN auch erfüllt. Im Internet ist das aber nicht erfüllt, diese Voraussetzung. Und jetzt gibt es halt folgenden Trick: Man kann als Angreifer im selben Netzwerksegment – also als jemand, der so eine Close Access Operation fährt und das Hotel Wi-Fi irgendwie kompromittiert hat oder zumindest im selben Wi-Fi ist – kann man mit einem Tool, das nennt sich Responder, solche lokalen Namensauflösungen umleiten oder da gespoofte Antworten irgendwie zurückschicken.

00:27:28 Lars Wallenborn: Und das coole an diesem Responder Tool in diesem Kontext ist auch, dass wir auch wissen, dass das zum Einsatz kam von von unseren beiden russischen Spionen. Also wir wissen, Responder wurde von denen eingesetzt, um da Netzwerke, um dieses Netzwerk da anzugreifen.

00:27:40 Christian Dietrich: Genau, für die Techies unter euch, man muss sich das so vorstellen: Also das Windows des Zielsystems wird getriggert, um bestimmte Namensauflösungen vorzunehmen. Der Angreifer erfüllt diese Namensauflösung, das heißt also liefert da eine Antwort zurück. Und dann versucht Windows mit dem Zielsystem, also mit dem Zielsystem des Angreifers, irgendwie eine Verbindung aufzubauen. Und in den Schritten gibt es eben Protokollnachrichten, die man abgreifen kann. Und wenn man Glück hat, kann man daraus Zugangsdaten, so was wie Benutzername und Passwort rekonstruieren. Klappt nicht immer, aber das kann man versuchen. Und das ist eben ein Weg, den man aus der Ferne nicht durchführen kann, sondern den muss man lokal machen, so in der Form, wie wir ihn hier beschrieben haben.

00:28:22 Lars Wallenborn: Eine weitere Sache, die man lokal machen kann, wenn man bereit ist, sich dafür spezialisierte Hardware anzuschaffen, zum Beispiel – also muss man nicht, aber das macht es einfacher – sind sogenannte Rogue Access Points. Eine klassische, fertige Hardwarekomponente davon heißt Wi-Fi Pineapple. Das erwähnen wir jetzt hier auch noch, insbesondere, weil wir auch von den Fotos, die da in dieser niederländischen Untersuchung rausgekommen sind, wissen, dass die russischen Agenten so einen Pineapple dabei hatten im Kofferraum. Wir wissen nicht, ob er eingesetzt wurde und wofür und ob er überhaupt eingesetzt werden sollte. Vielleicht haben sie ihn nur mitgenommen als Option. Aber das ist so ein typisches Tool, was da zum Einsatz kommt. Und was macht das? Das kann man sich so vorstellen. Dann gibt es da so ganz viele Wi-Fi’s, die heißen dann …

00:29:05 Christian Dietrich: Du kommst hier net rein.

00:29:07 Lars Wallenborn: Genau. Und so ein Rogue Access Point, der macht sich quasi das zunutze. Der macht sich das zunutze, indem er selber unter dem gleichen Namen ein WLAN aufmacht. Und den kann man dann auch so konfigurieren, dass er die Clients von dem ersten, von dem echten WLAN dazu überredet, sich neu zu authentifizieren und so, sodass dann dieser Access Point so tut, als wäre er das Wi-Fi, mit dem man sich eigentlich verbinden wollte. Aber eigentlich ein ganz anderer ist. Also man kann – wenn man sich Mühe gibt – dann kann man halt nach hinten raus auch das Internet anbinden. Das heißt, die Leute haben die normale Experience, sie connecten sich zu dem Wi-Fi, haben Internet. Aber was dann in Wirklichkeit passiert, ist, dass dieser Pineapple dazwischen sitzt, so als Man in the Middle, und dann halt auch den ganzen Traffic mitschneiden kann.

00:29:51 Christian Dietrich: Lars, das war ja in der Vergangenheit, würde ich sagen, mal erfolgversprechender. Also heute hat sich das ein bisschen geändert, würde ich sagen. Oder? Also der Angriff, den kann man immer noch machen. Es ist vielleicht fraglich, ob man damit heute noch so wahnsinnig viel Informationen rauskriegt.

00:30:08 Lars Wallenborn: Ja, ich denke auf jeden Fall weniger weniger als früher. Also irgendwann gab es ja diese große Initiative von Let’s Encript und so, die gesagt haben, wir verschlüsseln jetzt mal das ganze Internet. Das war der Zeitpunkt, wo dann plötzlich – das haben vielleicht viele gar nicht mitbekommen – anstatt http:// oben in der Zeile plötzlich https:// steht. Ja, das ist ein einziger kleiner Buchstabe, aber ein Riesenunterschied. Der sorgt nämlich dafür, dass der ganze Netzwerk Traffic verschlüsselt wird. Von dem Computer, der da durch das Internet browsed, bis zu dem Server, der das Internet zur Verfügung stellt, der ist dann komplett verschlüsselt und auch authentifiziert. Das heißt, wenn da dann so ein Rogue Access Point in der Mitte ist, dann kann der nicht in den Traffic reingucken und kann den insbesondere auch nicht manipulieren. Also eine Sache, die man dann zum Beispiel auch machen könnte bei unverschlüsselten Traffic, wäre halt, dass man einfach so was macht wie: Jedes Mal, wenn jemand eine executable Datei runterlädt, liefere ich stattdessen Malware aus. Also dann ist man auf microsoft.com, lädt ein Windows Update runter, aber in Wirklichkeit ist es Malware. Dann sieht es so aus dann für die Person, dass man von der Microsoft Seite Malware heruntergeladen hat. Und eigentlich vertraut man microsoft.com ja. Solche Angriffe sind heute so ohne Weiteres nicht mehr möglich …

00:31:14 Christian Dietrich: Du Optimist.

00:31:15 Lars Wallenborn: … weil das ganze Internet verschlüsselt ist. Und wer seine Website nicht mit HTTPS anbietet, der ist selber schuld. Ja.

00:31:27 Christian Dietrich: So. Das heißt, wir haben jetzt so ein paar Beispiele genannt, was man technisch tatsächlich machen könnte, wenn man Close Access hat und insbesondere, was man vielleicht eben nicht aus der Ferne machen kann. Warum sich Close Access also lohnt. Wenn man das mal versucht so ein bisschen zu abstrahieren, ist Folgendes: Man verlässt sich eben nicht so sehr darauf, dass ein Mensch social engineered werden muss. Also wenn ich das noch mal kontrastiere, vielleicht zu Spear-Phishing E-Mail, dann brauche ich da in jedem Fall immer noch so die Interaktion des Benutzers. Und durch immer mehr Aufklärungskampagnen, Awareness, kann es natürlich sein, dass die Zielperson, auf die man es abgesehen hat, die Phishing E-Mail als solche enttarnt, und einfach dieser Vektor nicht funktioniert. Das mag vielleicht bei Close Access Operationen auch zu einem gewissen Grad gelten, aber wenn ihr euch mal so vielleicht ein bisschen dran erinnert, wenn ihr euch in WLANs einloggt, dann sehen ja irgendwie diese Captive Portals überall anders aus. Also es ist total schwer, den Sollzustand von einem Captive Portal im Vorhinein irgendwie abzusehen.

00:32:28 Lars Wallenborn: Ja, also bei den meisten Hotels in denen man ist, da sieht das Captive Portal einfach schon so aus, als wäre es kompromittiert, aber ist es gar nicht. Das sieht immer so aus. Das Hotel will einfach, dass man in dieses komische Feld da seinen Namen einträgt und auf Absenden drückt. Und in gewisser Weise, du hast gerade gesagt, das verlässt sich nicht so sehr darauf, dass Leute gesocialengineered werden. Wenn man sich doch noch darauf verlässt, sind es quasi auch leichtere Ziele. Weil die Leute da auch quasi ja bereit sind, mehr Risiken einzugehen. Die sind da irgendwie im Ausland, brauchen jetzt dringend Internetzugang, weil sie, weiß ich nicht, noch wichtige Emails verschicken würden. Die sind ja alle so super wichtig und deswegen brauchen sie jetzt Internet. Und deswegen klicken sie da überall drauf, und laden alles runter und führen alles aus, was da irgendwie nicht bei drei auf den Bäumen ist. Ja, und dagegen vorzugehen ist halt super schwer. Weil du hast ja gesagt, es gibt da so ganz viele E-Mail Kampagnen, und auch von Google diese Kampagne, wo man irgendwie raten soll, ob es Spam ist oder nicht und so was. Und das geht halt viel besser. Weil der E-Mail Client immer gleich aussieht und die E-Mails, die man bekommt, die sehen grob alle gleich aus. Da kann man den Leuten leichter beibringen: Hey, wenn da was ungewöhnlich ist, wenn da was phishy aussieht, dann ist es vielleicht auch phishy. Aber so was kann man bei Captive Portals nicht machen. Die sehen sowieso immer anders aus.

00:33:39 Christian Dietrich: Das bringt mich wieder zu deiner Büffeltheorie.

00:33:43 – 00:34:39

Lars Wallenborn: Ja, wobei die Büffeltheorie hier nicht ganz passt. Die passt hier nicht ganz, aber gut. Okay, wir können noch mal gerade über die Büffel reden. Ja, ja, die Büffeltheorie, die passt hier nicht so ganz. Aber ich dehne sie mal ein bisschen aus. Also, warum Close Access? In gewisser Weise, weil alle Büffel plötzlich lecker sind. Also, wenn ich so im Internet bin und versuche, Ziele zu kompromittieren, dann sind da ja alle anderen Leute auch da im Internet und dann – das hat natürlich Vorteile, das heißt also, alle Leute sind da, auch die Dummen – und dann kann man sich die leichtesten Ziele aussuchen. Aber die leichtesten Ziele sind vielleicht doch nicht die interessantesten. Dann wäre es doch vielleicht ganz gut, so eine Art Vorauswahl zu haben, dass man nur noch interessante Ziele hat. Zum Beispiel nur noch hochoffizielle Persönlichkeiten, die irgendwas mit Anti Doping zu tun haben. Und bei so einer Close Access Operation muss ich mir diese Ziele nicht suchen. Da setze ich mich in das Hotel, wo die WADA diese Konferenz organisiert und warte, bis meine Ziele zu mir kommen, bis mir quasi die Büffel in den Mund fliegen.

00:34:42 Christian Dietrich: Ich habe noch nie Büffel gegessen. Ich weiß gar nicht, ob die so lecker sind, aber wie auch immer.

00:34:46 Lars Wallenborn: So, dann versuchen wir jetzt mal unter dem Ganzen einen Strich drunter zu machen und nochmal so ein bisschen aufzuzählen, worüber wir geredet haben. Eine Sache, die für mich hier sehr zentral ist – hatten wir eben ganz kurz angesprochen, als wir darüber geredet haben – was man mit Close Access Operation erreichen kann. Also wir hatten da zwei mögliche Ziele, nämlich Access oder Collection. Und wir wissen hier in dem Fall, dass einige dieser collecteten Daten dann auch später verwendet wurden. Da ist jetzt so ein bisschen verworren, aber bleibt bei mir. Es gab so eine Webseite, die hieß fancybaer.net, war das glaube ich. Darauf hat sich quasi eine selbsternannte Hacktivistengruppe dargestellt. Die hat sich Fancy Bear’s Hackteam genannt, und hat da quasi Dokumente von so Anti Doping Organisationen und von Doping Kontrollinstanzen geleakt. Stellt sich raus: Diese Hacktivistengruppe war gar keine Hacktivistengruppe, sondern wahrscheinlich eine staatlich gesteuerte Organisation. Und die haben halt im Rahmen dieser Close Access Operationen, die wir heute beschrieben haben, Daten gesammelt von solchen Doping Kontrollinstanzen, haben die so ein bisschen modifiziert und dann geleakt. Um halt in dem Fall die Interessen Russlands zu unterstützen. Und das ist halt sehr fies, sag ich mal. Weil dann denkt man so: Ah ja, das ist ja ein Whistleblower. Und die sind da irgendwie … die leaken einfach nur Sachen – Informationen sind frei – in die Öffentlichkeit. Dann werden die Materialien analysiert und dann stellt sich raus, da hat jemand gedopt.

00:36:31 Christian Dietrich: Okay, das Ganze soll abstrakt also so aussehen: Guck mal, es gibt zig andere Sportler von anderen Nationen, die hier auch dopen. Und das versucht man ja mit solchen Dokumenten zu untermauern. Ein weiteres Ziel für Nachrichtendienste, insbesondere hier vielleicht so was wie die Collektion, ist eben, dass man eben in andere Organisationen pivoten kann. Man könnte sich vorstellen, wenn man jetzt von solchen sportbezogenen Institutionen hier Zugangsdaten abgreift und Identitäten annehmen kann, dann könnte man das wiederum verwenden, um dann zum Beispiel politische Ziele, ich sage mal zum Beispiel im Innenministerium oder so was anzugreifen. Also politische Institutionen, die dann wieder einen Bezug zu der Sportinstitution haben. Wo es vielleicht bestehende Kommunikationskanäle gibt oder wo man sich irgendwie kennt. Und das erlaubt eben dem Nachrichtendienst dann, sich in solche Kommunikationskanäle einzuklinken und eben Zugriff zu bekommen auf weitere Ziele. Also das, was man eben so als Pivoting vielleicht auch bezeichnen könnte. Und das macht natürlich Sinn, weil klar, für so einen Nachrichtendienst gibt es immer viele verschiedene Targeting Requirements gleichzeitig. Während wir jetzt hier vielleicht maßgeblich so diesen Sportsektor beleuchtet haben, gab es natürlich für die GRU die ganze Zeit über natürlich auch weiterhin die Anforderung, hier militärische Ziele nach Möglichkeit auszukundschaften.

00:37:52 Lars Wallenborn: Kommen wir dann wieder zurück zu dem ersten Charakter, der heute aufgetaucht ist Serebriakov. Der ist nämlich, seitdem er dann da erwischt wurde, nicht mehr irgendwie öffentlich aktenkundig geworden. Also wir wissen nicht, was mit ihm passiert ist. Er ist bisher nirgendwo noch mal angeklagt worden, vielleicht auch nicht mehr verreist. Der ist völlig in der Dunkelheit verschwunden.

00:38:14 Christian Dietrich: Was mir so ein bisschen hängengeblieben ist, wenn man jetzt diese Story von dem OPCW Vorfall in Den Haag so hört: Das heißt, da sind irgendwie vier Agenten, die sitzen in einem Auto und dann werden die da auf frischer Tat ertappt. Dann fragt man sich doch: So, was ist jetzt? Die werden doch bestimmt verhaftet. Und jetzt gibt es vielleicht zwei Fragen. Die erste Frage ist vielleicht: Ist das, was sie bisher gemacht haben, nämlich diese Vorbereitung da, ist das überhaupt strafbar? Ich denke, vermutlich schon. Also zumindest das, was da dokumentiert ist, da gehe ich schon davon aus, dass das irgendwie strafbar wäre. Obwohl ich jetzt auch das niederländische Strafrecht natürlich nicht so kenne. Aber was viel wichtiger ist: Man hat dem Ganzen versucht so ein bisschen vorzubauen, indem nämlich diese vier Agenten, die hier eingereist waren, mit Diplomatenpässen eingereist waren. Und das bedeutet, die genießen vermutlich diplomatische Immunität. Das bedeutet, dass sie eben größtenteils nicht der Strafbarkeit unterliegen. Und das wiederum bedeutet, dass eben so ein staatlicher Akteur – oder generell staatlich gestützte Akteure – solche Close Access Operationen prima vorbereiten können, oder mit einem etwas anderen Risiko möglicherweise fahren, wenn sie ihre Leute noch unter Diplomatenschutz stellen können.

00:39:29 Lars Wallenborn: Weil staatliche Akteure halt Diplomatenpässe drucken können. Was hier auch passiert ist, was hier auch absurderweise passiert ist, mit direkt aufeinanderfolgenden Passnummern und so. Also ich habe hier manchmal das Gefühl, hier wurde alles so ein bisschen übers Knie gebrochen.

00:40:02 Christian Dietrich: Wir hoffen, wir haben euch mit dieser Folge mal ein bisschen Einblicke geben können in Close Access Operationen. Natürlich haben wir auch ein bisschen das Glück gehabt, dass diese Operationen relativ gut dokumentiert waren. Man findet nämlich gar nicht so wahnsinnig viele öffentlich gut dokumentierte Close Access Operationen.

00:40:19 – 00:40:41

Lars Wallenborn: Aber wie immer: Alles, was wir verwendet haben für die Recherche zu dieser Folge, packen wir auch wieder in die Shownotes. Das heißt, wenn ihr da selber ein paar Spuren verfolgen wollt, dann könnt ihr das gerne mal alles durchlesen. Da sind auch bestimmt noch ganz viele weitere Details und ungeschliffene Diamanten drin versteckt, die wir jetzt komplett übersehen haben in der Vorbereitung. Dabei wünsche ich euch viel Spaß und dann hören wir uns beim nächsten Mal wieder. Ich freu mich drauf.

00:40:43 Christian Dietrich: Bis zum nächsten Mal. Tschau.

#7 Olympic Destroyer — Der Cyber-Angriff auf die Olympischen Winterspiele 2018

Was ist eine False-Flag-Operation? Wie bereiten staatliche Cyberkräfte eine Sabotage-Aktion mittels Wiper-Malware vor? Wie erleben Betroffene einen solchen Angriff und wie wehren sie ihn ab? In dieser Folge bereiten wir den Cyberangriff gegen die Olympischen Winterspiele 2018 in Südkorea auf und versuchen Antworten auf die oben genannten Fragen zu geben. Folgt uns auf eine Reise in die Welt der Cybersabotage und die Herausforderungen der Attribution.

Shownotes

Transkript anzeigen...

„In der Zielumgebung der olympischen Winterspiele schaffen es die Agenten, einen Administrationsaccount zu ergattern. Sie nutzen diesen Account, um auf mehr als 16.000 Computern in der Zielumgebung Passwörter abzugreifen. Insgesamt bekommen sie somit die Zugangsdaten zu 400 verschiedenen Accounts.“

00:00:40 Christian Dietrich: Hallo liebe Cyberfreunde. Mein Name ist Chris. Ich bin Professor für Cybersicherheit an der westfälischen Hochschule…

00:00:46 Lars Wallenborn: …und hallo, ich bin Lars. Ich arbeite als Softwareentwickler und Reverse Engineer für CrowdStrike.

00:00:51 Christian Dietrich: Den Einspieler, den wir gerade gehört haben, der bezieht sich auf Inhalte aus einem relativ großen Vorfall, über den wir heute sprechen wollen. Und das Ganze bezieht sich auf die Olympischen Winterspiele 2018, die in Südkorea stattfanden. Und zwar in der Stadt Pyeongchang.

00:01:09 Lars Wallenborn: Nicht zu verwechseln mit Pjöngjang. Das ist eine ganz andere Stadt natürlich. Ja, und warum spielt das eine große Rolle? Na ja, gut, es sind erst mal Olympische Winterspiele, das heißt also ein weltweit riesen Event. Ja, also jeder kriegt das mit, wenn Olympische Winterspiele sind.

00:01:22 Christian Dietrich: Zum zweiten war es ein destruktiver Angriff. Also es ging um Sabotage.

00:01:25 Lars Wallenborn: Und das ist immer was ganz besonderes. Wenn man nur unseren Podcast hört, könnte man denken, dass jeder zweite oder dritte Cyberangriff ein Sabotageangriff ist, aber das ist mitnichten so. Wir finden die nur besonders interessant. Deswegen machen wir dazu so viele Folgen. Wie zum Beispiel die Folge Nummer Fünf, über die destruktive Malware Shamoon. Genau. Und das hier war auch so ein Sabotage Fall.

00:01:42 Christian Dietrich:  Und das dritte Argument ist vielleicht, wir haben ja so ein gewisses Faible für Attribution oder Fragen der Attribution, und auch vor dem Hintergrund ist dieser Vorfall besonders interessant. Man könnte sich nämlich hier im Kontext die Frage stellen: Was ist eigentlich eine False Flag Operation?

00:01:57 Lars Wallenborn: Und wir werden unter anderem auch jetzt gleich abdecken, wie lange so eine Vorbereitung auf so einen Angriff oder einen Hack überhaupt ist. Also da gibt es ja verschiedenen Filme oder Serien, die das verschieden gut oder schlecht darstellen. Also wie sich nämlich herausstellen wird – oh Wunder –  ist es nicht eine Person, die vor vier Monitoren sitzt und wild auf einer Tastatur herum tippt, sondern es ist eine monatelange Vorbereitung von vielen Leuten, die daran Vollzeit arbeiten. Und das kann man hieran auch gut erkennen.

00:02:25 Christian Dietrich: Ja. Außerdem ist für diesen konkreten Fall ganz interessant, dass kürzlich ein Kopfgeld ausgesetzt wurde oder eine Belohnung. Nämlich in Höhe von 10 Millionen US Dollar – durch das FBI –  für Hinweise zur Ergreifung der betroffenen Personen, der Beschuldigten hier. Und das unterstreicht nochmal, dass der Fall auch heute noch – also mehr als vier Jahre später – noch wichtig zu sein scheint. Lars, wie lange dauert denn eigentlich so eine Vorbereitung von so einem Hack?

„Der Agent beginnt mit der Reconnaissance. Er recherchiert, welche Firmen die Olympischen Winterspiele unterstützen. Unternehmer, die als Partner oder Sponsor auf der Webseite genannt werden, geraten so ins Fadenkreuz. Er verfasst Spear-Phishing E-Mails und schickt sie an 29 Adressen bei diesen Partnerunternehmen. Darunter befinden sich auch IT Dienstleister. Der Agent fälscht den Absender der E-Mail, sodass sie angeblich vom IOC Commission Chairman kommt. Der Anhang ist eine schadhafte Word Datei, die den Computer infiziert, auf dem sie geöffnet wird. Außerdem wird die Domain msrole.com registriert.“

00:03:36 Lars Wallenborn: So, und das ist alles passiert – du hattest ja gerade gefragt – im November 2017. Also es geht um die Olympischen Spiele 2018 und das ist jetzt im Vorjahr und da im November. Da sind also verschiedenen Dinge passiert. Und wie wir gerade gehört haben, da ist etwas, das nennt man, wenn man sich edel ausdrücken will Reconnaissance. Also da hat eine Person recherchiert, was überhaupt gute Ziele sind. Ja, also in dem Fall was IT Dienstleister sind, die die olympischen Spiele versorgt haben.

00:04:02 Christian Dietrich: Genau. Und das ist der Startpunkt. Das heißt also, das war scheinbar der Zeitpunkt, wo der der Angreifer, also die Akteure begonnen haben, diesen Angriff, den wir später noch kennenlernen werden, vorzubereiten. Und bei solchen öffentlichen Veranstaltungen ist ganz praktisch, dass die natürlich auch ihre Sponsoren darstellen wollen. Das heißt, in der Reconnaissance wurde hier eben ausgelotet, welche Dienstleister gibt es denn? Man muss sich das im Prinzip so vorstellen, dass es natürlich Partnerunternehmen gibt, die da bestimmte Dienstleistungen erbringen. Das ist also nicht die Kernorganisation für Olympische Spiele, die jetzt da zum Beispiel die IT Infrastruktur macht, sondern das sind natürlich Zulieferer. Also große IT Unternehmen beispielsweise, vielleicht auch kleine, die da bestimmte Aufgaben eben übernehmen.

00:04:49 Lars Wallenborn: Und dabei geht es halt darum, dass man da so als Angreifer, ich sage immer gern den langsamsten Büffel identifiziert. Also man will halt nicht den sichersten von den sichersten IT Dienstleistern kompromittieren, sondern man will halt unter all denen die es gibt, quasi den Schwächsten finden und den dann kompromittieren. Einfach aus Effizienzgründen.

00:05:05 Christian Dietrich: Ja, und was wurde von den Akteuren hier maßgeblich gemacht? Es wurden jede Menge Spear-Phishing E-Mails verfasst und mit einem schadhaften Word Dokument im Anhang verschickt.

00:05:15 Lars Wallenborn: Und das ist so ein Word Dokument, wie man das sich vorstellt. Das ist so eine Datei, die macht man auf, dann fragt die einen, ob man Makros aktivieren möchte und dann klickt man auf „Ja“ – also wenn man im Sinne des Angreifers handelt. Und dann macht diese Word Datei ihre bösen Dinge auf dem Computer, auf dem sie geöffnet ist.

00:05:33 Christian Dietrich: Wir haben uns mal eine E-Mail rausgesucht, die hier verschickt wurde, eine solche Spear Phish E-Mail. Und wenn euer Podcast Player das unterstützt, dann zeigt er den Text oder den Screenshot einer solchen E-Mail, wie sie in einem E-Mail Programm angezeigt werden würde, jetzt an. Ich lese das mal kurz vor. Also der Text ist relativ kurz in dieser Mail. Sie soll angeblich kommen von einem Absender, der da ‚IOC Info‘ heißt. IOC steht eben für International Olympic Committee. Und der Text lautet: „Dear Partners, the preparations for the Olympic Winter Games have successfully ended and in this connection, we would like to express our gratitude to you. We would be happy to foster our cooperation and present a list of our commercial offers. Looking forward to further cooperation…“ Und so weiter und so fort. Und da ist dann eine Signatur und auch so ein bisschen das Logo des IOC und so weiter drunter.

00:06:27 Lars Wallenborn: Das fällt jetzt natürlich direkt auf, dass das nicht so perfekt englisch ist. Man könnte jetzt sagen: Ja, das erkennt man doch sofort. Aber andererseits selbst im richtigen Business Kontext sprechen ja nicht alle immer perfekt englisch. Also hier fällt einem vielleicht dieses „…in this connection, we would like to express our gratitude…“, also das hat man wahrscheinlich aus einer anderen Sprache so was übersetzt wie „..in Bezug darauf möchten wir unsere Dankbarkeit aussprechen.“

00:06:49 Christian Dietrich: Genau. Man brauchte halt einfach nur irgendwie Text, der den Empfänger dazu verleitet, diesen Anhang zu öffnen. Es geht eigentlich gar nicht so sehr um den Text der da drin steht, und man könnte eben auch provokant sagen: Na ja, also jemand der bei so einem Text hier schon irgendwie stutzig wird, und gar nicht erst den Anhang öffnet, der würde wahrscheinlich bei so einer internationalen Organisation wie dem IOC oder in diesem Kontext gar nicht klar kommen, weil da wahrscheinlich eine ganze Menge solcher E-Mails irgendwie verschickt werden. Das heißt, die Wahrscheinlichkeit, dass die Adressaten, diese E-Mail hier entsprechend öffnen und den Anhang öffnen ist vermutlich recht hoch.

00:07:24 Lars Wallenborn: Ja, das würde ich eigentlich auch sagen. Genau. Dann das letzte, was wir gerade noch gehört haben, wie gesagt, wenn man sich wieder vornehm ausdrücken möchte, so wie man eben sagt, jemand googelt, nennt man das Reconnaissance. Jetzt wurde hier eine Domain registriert, msrole.com, das könnte man auch als Infrastruktur Setup bezeichnen. Also auch auf so einer Ebene, man registriert eine Domain, die man vielleicht später verwenden will, damit Malware mit der Domain kommuniziert, die bereitet man jetzt auch schon vor. Also man setzt die Infrastruktur auf, die dann für diesen Cyberangriff vielleicht nötig werden wird.

00:07:55 Christian Dietrich: Wenn wir uns ganz kurz noch einmal den zeitlichen Verlauf vor Augen führen: Im Februar fanden die Olympischen Winterspiele statt. Wir haben jetzt gehört, was im November passiert ist, springen wir mal in den nächsten Monat, nämlich den Dezember.

„Für die folgenden drei Monate werden das Verfassen und Versenden von  Spear-Phishing E-Mails eine immer wiederkehrende Tätigkeit. Am 06. Dezember 2017 alleine, wurden etwa 220 E-Mails auf diese Weise verschickt. Zwei Tage später 98 weitere. Ein Agent beginnt mit der Vorbereitung für die Entwicklung einer Wiper Schadsoftware. Andere Agenten führen einen Scan des Zielnetzwerkes durch, mit dem Ziel, Schwachstellen zu finden.“

00:08:37 Lars Wallenborn: So, was ist jetzt passiert? Das war jetzt einen Monat später, also das deckt jetzt schon einen Teil des Dezembers ab, 2017. Da wurde also angefangen, eine Schadsoftware zu entwickeln. Also Malware zu entwickeln. Und zwar eine Wiper Malware. Das ist eine Malware, die sich darauf fokussiert, Dateien von einem Computer zu löschen. Also da geht es nicht darum, Dateien irgendwie zu verschlüsseln oder so, sondern da geht es so um Schaden verursachen, Computer beschädigen, im Sinne von Daten davon löschen, sodass sie zum Beispiel nicht mehr booten oder so was.

00:09:06 Christian Dietrich: Wenn ihr dazu mehr wissen wollt, hört euch vielleicht mal Folge Fünf an, da reden wir ein bisschen über Wiper.

00:09:10 Lars Wallenborn: Und das kann man sich jetzt wirklich so ganz konkret vorstellen. Also da setzt sich jetzt so eine Person hin und will eine Windows Software programmieren, und macht dafür die Entwicklungsumgebung auf…

00:09:21 Christian Dietrich: Wahrscheinlich Microsoft Virtual Studio.

00:09:23 Lars Wallenborn: …und dann wird da Programmiercode in diese Entwicklungsumgebung rein getippt, so in C oder C++, dann wird das kompiliert und dann kommt da eine ausführbare Datei bei raus. Also dieser Programmiervorgang dauert jetzt natürlich etwas länger, aber na ja, jetzt im Dezember wird damit halt schon mal angefangen. Auch vielleicht bezeichnend: Bevor man überhaupt Zugriff auf irgendwelche Systeme hat.  Klar, da wurden schon Spear-Phishing E-Mails verschickt und so, aber die Akteure die dahinter stecken, die sehen halt voraus, dass sie  wahrscheinlich irgendwann auf irgendwas Zugriff bekommen, und bereiten sich dann schon mal vor, Malware zu schreiben, die sie dann da ausbringen können.

00:09:56 Christian Dietrich: Genau. Das sind halt Leute, die das nicht zum ersten Mal machen und die wissen, dass sie hier parallele Aktivitätsstränge haben müssen. Also die haben Reconnaissance im letzten Monat gestartet, dann Infrastruktur begonnen und jetzt fangen sie eben auch schon mit der Malware Entwicklung an. Und was machen sie noch? Sie betreiben Vulnerability Scanning. Das heißt, sie suchen nach Schwachstellen in der Ziel-Infrastruktur. Das kann man sich so vorstellen, also vielleicht so eine Metapher wäre, dass man mal die ganzen Häuser in einer Straße abgeht und überall die Türklinke mal so runter drückt, so auf gut Glück, um zu gucken, ob die Tür offen ist. Ist sie vielleicht gar nicht abgeschlossen, sondern kommt man irgendwo rein? Man drückt mal gegen jedes Fenster und guckt ob man da irgendwie reinkommt. Wenn man da so ein bisschen versucht zu übertragen, dann wäre das so ein bisschen was wie Vulnerability Scanning. Das heißt man weiß vielleicht auch schon so in etwa, wie man welches Fenster am besten drückt, damit es irgendwie aufspringt. Und das machen die eben.

00:10:47 Lars Wallenborn: Und in welchem Stadtteil man das macht, oder sogar bei welchem Haus man das machen will und solche Dinge.

00:10:51 Christian Dietrich: Genau. Vielleicht kann man an der Stelle sagen, also das wirkt alles jetzt nicht virtuos, aber wir können festhalten: Diese Akteure beherrschen die Klaviatur der Offensivtechniken.

„Zwei schadhafte Smartphone Apps mit dem Namen „Seoul Bus Tracker” und „HanMail“ werden entwickelt und jeweils ein paar Tage später veröffentlicht. Die entsprechenden App Stores verhindern aber eine Verbreitung. Der Agent scannt die Webseite des Komitees für Sport und Olympische Spiele Korea nach Schwachstellen. Das gleiche passiert auch bei einem koreanischen Energieunternehmen und einem koreanischen Flughafen. Am 19. Dezember erlangen die Agenten Zugriff auf das Netzwerk eines Partners der Olympischen Spiele. Drei Tage später auf das Netzwerk eines weiteren Partners. Sie erzeugen außerdem eine Kopie von Teilen der Webseite des koreanischen Landwirtschaftsministeriums. Dann erhält ein Agent zum ersten Mal Zugriff auf einen Computer in der Zielumgebung der Olympischen Winterspiele.“

00:11:54 Lars Wallenborn: So, das war jetzt also immer noch Dezember. Da wurden jetzt zwei Smartphone Apps entwickelt. Das finde ich ganz kurios. Vor allem weil das halt auch so erfolglos ist, und vor allem weil es auch zwei sind. Also man entwickelt irgendwie eine Smartphone App und bringt die auf dem App Store raus, die wird sofort geblockt und dann entwickelt man noch eine Smartphone App, bringt die wieder auf dem App Store raus, und die wird wieder sofort geblockt. Also erst mal Kudos zu den entsprechenden Leuten, die dafür gesorgt haben, dass die so schnell geblockt wurde. Aber da ist ja ein System hinter. Also da hat wahrscheinlich sich schon jemand überlegt, es lohnt sich, diese Apps zu entwickeln. Und ich vermute, das liegt so daran, dass – man könnte sagen, Handys sind der neue Computer. Also es gibt ja auch Leute heutzutage, die haben halt überhaupt keinen Computer mehr. Die machen all ihre Kommunikation im Internet über ihr Smartphone. Ja, also E-Mails verschicken und irgendwelche Nachrichten und so. Also das ist nicht so ganz mein Fall. Also ich finde diese Handy Tastaturen einfach zu klein um sie zu bedienen. Aber ja, Handys spielen schon eine sehr zentrale Rolle und haben ja vor allem eine ganze Menge sehr leckere und interessante Daten für Angreifer. Also Handys haben immer direkt Geolocation Funktionalität, und darüber läuft dann auch immer viel Kommunikation ab, das heißt also man kann auch in die privatesten privaten Nachrichten von Leuten rein gucken.

00:13:07 Christian Dietrich: Ja, trotzdem finde ich, ist das irgendwie merkwürdig. Also man könnte jetzt sagen, irgendwie klar, so eine App zu entwickeln, das ist eben wieder eine weitere Technik in dieser Klaviatur der Offensivtechniken. Aber man kann sich natürlich schon fragen: Okay, in welche Richtung geht das ganze hier eigentlich gerade? Denn wenn ich so eine App entwickle, und es auf diese Daten absehe, wie du gerade beschrieben hast, dann würde sich das ja besonders lohnen, wenn ich über Close Access Operationen rede. Das heißt, wenn ich es auf bestimmte Leute abgesehen habe und denen möglicherweise vielleicht auch irgendwie physikalisch nahe kommen will oder wissen will, wo die sind. Das sind Dimensionen, die können wir, glaube ich, hier nicht abschließend bewerten. Aber es ist eben zweifelsfrei belegt, dass diese Apps entwickelt wurden. Der zweite Punkt ist, dass in diesem Zeitfenster das erste Mal Zugriff auf Computer in der Zielumgebung passierten. Das heißt also, jetzt sechs Wochen nach dem Kickoff haben wir den ersten Zugriff in der Zielumgebung.

00:14:05 Lars Wallenborn: Cool würde ich sagen. Also sechs Wochen um Zugriff auf die Olympischen Spiele zu bekommen – also ich könnte das nicht, sage ich mal.

00:14:12 Christian Dietrich: Ja genau, man könnte jetzt denken: Mission accomplished! Ganz soweit sind wir ja noch nicht. Man muss sich da vielleicht auch noch mal eins vergewissern: Nur in der Zielumgebung zu sein, heißt ja noch nicht, dass man am Ziel ist, ja in Bezug auf die Mission die man da vielleicht hat. Das heißt, jetzt hat man irgendeinen Computer bei einem – beziehungsweise mehreren der Dienstleister haben wir ja gehört – kompromittiert als Angreifer, und na ja, jetzt muss man halt so ein bisschen gucken: Okay, was gibt es da zu holen und wie durchwandere ich im Prinzip die Zielumgebung, bis ich an dem Ort bin, wo ich wirklich hin will.

00:14:45 Lars Wallenborn: Genau. Und das Durchwandern ist halt super wichtig, weil wenn ich nur den Computer, den ich jetzt kompromittiert habe zum Beispiel, wipe, dann kriegt das vielleicht jetzt noch nicht mal jemand mit. Und wenn man so eine Wiping Kampagne macht, dann zielt man immer auf einen großen Impact. Dann zielt man immer auf einen Knall ab. Also man will, dass das in die Medien kommt. Man will, dass da Leute nicht mehr ihre Arbeit machen können und so weiter. Und wenn man einfach nur einen Computer kaputt macht, das ist ganz normal, manchmal gehen Computer auch kaputt, ohne dass es einen Malware Angriff gibt. Und damit können Firmen ziemlich gut umgehen heutzutage.

00:15:17 Christian Dietrich: Okay. Das heißt, der Akteur ist jetzt in der Zielumgebung auf mindestens einem Rechner – wahrscheinlich sind mehrere kompromittiert – aber noch nicht so viele. Und jetzt ist die Frage: Was sind denn jetzt die nächsten Schritte?

„Weitere Spear-Phishing E-Mails werden verfasst. Wieder wird der Absender gefälscht. Dieses Mal sieht die E-Mail so aus, als ob sie von Koreas nationalem Anti-Terror Zentrum käme. In Wirklichkeit hat sie erneut eine schadhafte Word-Datei im Anhang, die den Computer des Empfängers infizieren soll. Die Malware tarnt ihre Kommunikation dabei als Bild, mittels Invoke PSImage. Einer Software, die nur wenige Tage vorher auf GitHub veröffentlicht wurde.“

00:15:57 Lars Wallenborn: Auf jeden Fall busy, diese Angreifer. Also immer weiter Spear-Phishing E-Mails schicken ist quasi so, ich sage mal, die langweiligste Art und Weise, wenn man mich fragt, wie man eine Organisation angreift. Also ganz viele Spear-Phishing E-Mails schicken, in der Hoffnung, dass irgendeine davon mal angeklickt und ausgeführt wird.

00:16:16 Christian Dietrich: Genau, ich meine das Interessante ist auch, die haben ja eigentlich schon Zugriff, aber die schicken trotzdem weiter Spear-Phishing E-Mails. Also man versucht sich möglicherweise Fall Back Möglichkeiten zu schaffen…genau, also man macht einfach immer weiter…

00:16:26 Lars Wallenborn: Und diese Sache mit Invoke PSI finde ich hier besonders interessant. Das war so ein Tool, das ist damals – also wir sind ja jetzt irgendwie Weihnachten herum, im Dezember – und Mitte Dezember hat das irgendjemand auf Twitter gepostet. Wir können den Tweet nachher auch mal in die Shownotes tun. Das war jetzt keiner, der mit den Angreifern zu tun hat oder so. Da hat einfach jemand ein Tool entwickelt, um mit Power Shell – das ist so was, das ist bei Windows immer dabei, so eine Scripting Sprache – um mit Power Shell in Bilddateien Schadsoftware oder bösartige Komponenten zu verstecken.

00:16:56 Christian Dietrich: Steganografisch, glaube ich.

00:16:58 Lars Wallenborn: Ja, ich glaube auch. Und dieses Tool hat er halt veröffentlicht, so Open Source auf GitHub, und hat dann darüber getwittert. Und jetzt kurz danach wird das schon eingesetzt hier. Das hat jetzt natürlich viele Implikationen. Also erst mal vermute ich, dass dieser Agent der dahinter steckt, das wahrscheinlich – so wie ich auch – auf Twitter gelesen hat. Und das dann heruntergeladen hat, und gedacht hat: Das ist eine coole Idee, das probiere ich jetzt mal aus. Und ja, hat das dann einfach benutzt.

00:17:25 Christian Dietrich: Gewisse interessante Risikobereitschaft eigentlich, das in so einer laufenden Mission irgendwie so zu probieren.

00:17:31 Lars Wallenborn: Ja gut, andererseits heißt es aber auch, dass man am Puls der Zeit bleibt. Also ich glaube, das ist halt auch wichtig, als Angreifer, dass man immer wieder auch neue Tools ausprobiert und neue Sachen macht und…ja.

00:17:41 Christian Dietrich: In einer laufenden Mission? Na ja, vielleicht hat man in den 8 Tagen auch irgendwo getestet, das kann natürlich sein.

00:17:46 Lars Wallenborn: Irgendeine Mission läuft immer, also ich meine…vermute ich zumindest. Ja und das Zweite, das soll jetzt nicht irgendwie die Moralkeule sein, aber Open Source, wenn man so was in Open Source veröffentlicht, dann heißt das halt schon, dass es wirklich öffentlich ist, und dass es jedem zur Verfügung steht auch. Jetzt in dem Fall hier den Angreifern. Also man könnte sagen, die Person hat dann da halt ein Tool veröffentlicht – ich will da keinen Vorwurf machen – das ist halt…Open Source ist Open Source. Ich bin da eher so ein bisschen liberal. Aber ja, das kann dann halt schon passieren, dass es dann eingesetzt wird, um so ein weltweites Event zu beeinflussen, wie zum Beispiel die Olympischen Spiele.

00:18:21 Christian Dietrich: Okay. Wie geht die Geschichte weiter?

„Der Agent veröffentlicht die kurz vorher entwickelte Hmail App auf dem Google Play Store. Die App wird auf mindestens 47 Accounts installiert, bevor sie geblockt wird. Das Versenden von E-Mails mit gefälschtem Absender geht weiter. Dieses Mal geraten die Athlet:innen selbst ins Fadenkreuz, mit einem Betreff von „Accommodation Conditions in Hotel.“ In der Zielumgebung der Olympischen Winterspiele schaffen es die Agenten, einen Administrationsaccount zu ergattern. Sie nutzen diesen Account, um auf mehr als 16.000 Computern in der Zielumgebung Passwörter abzugreifen. Insgesamt bekommen sie somit die Zugangsdaten zu 400 verschiedenen Accounts. Der Agent exfiltriert wichtige Unterlagen zum Aufbau des Netzwerks. Unter anderem Dateien, mit dem Namen „PyeongChang 2018 – Network architecture.docx“ oder „PyeongChang LAN Network Diagram.vsd“. Der Agent verschickt drei weitere Spear-Phishing E-Mails, die behaupten, eine Bewerbung auf eine Stelle als Zeitnehmer im Stadion zu enthalten. Tatsächlich aber enthalten sie aber bösartige Makros, die die im November registrierte Domain msrole.com verwenden. Auf diese Weise wird versucht, weitere Computer zu infizieren. Diesmal in einem anderen Unternehmen, nämlich einem Zeitmessungsunternehmen.“

00:19:51 Christian Dietrich: Okay, was haben wir hier gehört? Die machen mit dieser Smartphone App Entwicklung immer noch weiter. Und nachdem sie zweimal gescheitert sind, diese App in den entsprechenden Store zu bringen, da in den Play Store zu bringen, und sie schaffen es, dass die App 47 mal heruntergeladen wird. Also wahrscheinlich auf 47 verschiedenen Geräten zum Einsatz kommt.

00:20:11 Lars Wallenborn: Ja gut, aber ich würde mal sagen, um eine App zu entwickeln, sind 47 jetzt nicht so erfolgreich. Also ich würde sagen, die ersten beiden Versuche diese App im Play Store zu vertreiben waren erfolglos und der dritte war relativ erfolglos.

00:20:25 Christian Dietrich: Die Frage ist, welche 47 damit infiziert wurden. Also wenn du quasi irgendwie das Steuerungskomitee, das IOC oder so was…ja, dann hast du die richtigen 47. Ja, vielleicht reicht dir das ja. Aber das wissen wir nicht. Darüber hinaus, also wir sehen, es geht immer noch weiter mit Spear-Phishing E-Mails, also auch jetzt wo die Angreifer Domain Controller Admin Access haben – das ist also die höchste Stufe des Zugriffs, mehr oder weniger in so einer Windows Umgebung –  machen die trotzdem weiter und verschicken diese Spear-Phish E-Mails und sie richten ihre Angriffe eben auch auf andere Unternehmen.

00:20:57 Lars Wallenborn: Und was sie mit diesem Domain Controller Access hier anscheinend gemacht haben, ist, dass sie Credentials hier abgreifen. Also man kann sich einen Domain Controller vorstellen, wie so einen Computer, einen Administrationscomputer für Computer. Also das ist ein Computer im Netzwerk, der kann quasi Befehle auf allen anderen Computern ausführen und die generell einfach administrieren. Das heißt also, das ist ein richtig guter Ort, um auf all diesen Computern, die unter dem Domain Controller quasi darunter hängen, zum Beispiel Passwörter und User Accounts und so was alles abzugreifen. Und das machen die hier bei richtig vielen Computern. Ja, also…

00:21:29 Christian Dietrich: 16.000!

00:21:30 Lars Wallenborn: Ich würde sagen: Fette Beute. Also das war sehr erfolgreich. Und es ist jetzt erst Januar.

00:21:34 Christian Dietrich: Genau. 16.000 Computer und sie haben 400 verschiedene Zugangsdaten. Das ist halt auch eine Nummer. Also es geht hier nicht um einen Account, den man mal irgendwie blocken müsste. Nee, du müsstest hier 400 Accounts blocken, wenn du die Angreifer da irgendwie aussperren wolltest.

00:21:51 Lars Wallenborn: Ja, und vor allem müsstest du auch erst mal merken, dass diese 400 Accounts geklaut wurden. Also das ist natürlich auch die Herausforderung.

00:21:56 Christian Dietrich: Und du müsstest eben auch den Domain Controller Zugang sperren. Was bedeutet, dass deine legitimen Administratoren wahrscheinlich gar nicht mehr so einfach Zugriff auf diese Infrastruktur haben. Das heißt, jetzt kann man sagen, ist ein Großteil der Infrastruktur kompromittiert. Und nochmal zur Erinnerung, wir sind jetzt am 12. Januar. Das heißt also einen knappen Monat vor Eröffnung der Spiele. Soweit könnte man sagen, läuft alles nach Plan.

„Die Agenten verschicken eine weitere Spear-Phishing E-Mail an einen auf der Sponsorenseite aufgeführten Partner. Außerdem gehen weitere 20 E-Mails an das koreanische Anti-Terror Zentrum. Ein Agent registriert eine E-Mail Adresse, die der Adresse des Chefs, des eben erwähnten Zeitmessungsunternehmen nachempfunden ist, und verwendet sie, um E-Mails an 13 Adressen eben dieses Zeitmessungsunternehmens zu verschicken. Sie alle enthalten einen Link auf eine mit Malware infizierter Datei, mit Namen bonuses.xls. Am Tag der Eröffnungsfeier wird um 18:24 Uhr Ortszeit, etwa 1,5 Stunden vor Beginn der Feierlichkeiten die zerstörerische Schadsoftware in die Zielumgebung übertragen, aber noch nicht aktiviert. Achtzehn Minuten vor Beginn der Feier, um 19:42 Ortszeit, wird diese Wiper Malware in der Domain verteilt und aktiviert. 23 Minuten nach Beginn der Eröffnungsfeier sucht der Agent aktuelle Nachrichten rund um das Zeiterfassungsunternehmen und einen russischen Server aus. Die Zuliefererfirmen für IT und das Zeiterfassungsunternehmen melden seltsames Verhalten und Ausfälle ihrer Systeme.“

00:23:38 Lars Wallenborn: Genau. Das ist jetzt der Moment, wo die Bombe geplatzt ist. Also diese Malware wurde dahin übertragen und ausgeführt. Das ist so die Kurzzusammenfassung. Aber hier ist was passiert, das ist vielleicht nicht so ganz klar bei so einem offensiven Angriff. Ich meine, man könnte sich fragen: Warum wird diese Wiper Malware erst so kurz vorher dahin übertragen? Und auf der anderen Seite könnte man auch sagen, Na ja, warum wird sie – Computer sind ja super schnell und Internetverbindungen sind auch schnell – warum wird sie ganze 17 Minuten vorher übertragen, wenn es irgendeinen Grund dafür gibt, sie nicht zu früh zu übertragen? Warum macht man es dann nicht genau in dem Moment wo man sie ausführen will?

00:24:10 Christian Dietrich: Also drei Sekunden vorher. Und das ist super spannend. Weil genau diese Balance muss der Angreifer hier natürlich finden. Denn er darf nicht zu früh sein, sonst riskiert er, dass sein Wiper entdeckt wird, und gar nicht irgendwie aktiv werden kann. Aber er darf halt auch nicht zu spät kommen. Sonst hat er irgendwie sein Ziel verfehlt.

00:24:30 Lars Wallenborn: Ja, und er darf auch nicht zu spät kommen, weil eventuell läuft ja noch etwas schief. Ich meine, das mit den Computern ist schon kompliziert genug, wenn alle zusammenarbeiten wollen und hier arbeitet ein Software Entwickler, sage ich mal – in dem Fall der Angreifer – gegen das System, auf dem er sich installieren möchte. Das heißt, da kann auch noch alles mögliche schief gehen. Und dann hat man das, ich weiß nicht, für das falsche Betriebssystem kompiliert und muss es nochmal übertragen. Da sollte man sich auch so ein bisschen Zeit nehmen um noch irgendwelche Bugs zu fixen.

00:24:54 Christian Dietrich: Man kann vielleicht nochmal betonen, dass man so was nicht testen kann. Also diese Systeme, in der Komplexität, kann man nicht wirklich abbilden. Also klar, man kann die Ausführung einer Wiper Instanz testen, aber man kann halt nicht wirklich testen, wie sich so eine Infrastruktur verhält. Schon gar nicht, wenn gerade irgendwelche Spiele und Eröffnungsfeiern laufen oder vorbereitet werden. Das kann man nicht wirklich vorher evaluieren oder prüfen. Das heißt, in dem Moment hat man tatsächlich auch ein gewisses Risiko. Und das scheint hier ja aus Angreifer Perspektive geklappt zu haben. Man hat es also geschafft, den Wiper da in die Zielumgebung zu bringen und auch zu verteilen, sodass er eben auf verschiedenen Rechnern dann zugeschlagen hat.

00:25:38 Lars Wallenborn: Und was hier auch noch besonders nasty ist, ist, dass die Angreifer das mit der Eröffnungsfeier getimed haben. Also der Plan war wahrscheinlich, da irgendwie so einen Wiper auszuführen, dann gehen diese ganzen Computer während der Eröffnungsfeier irgendwie kaputt – wahrscheinlich in der Hoffnung, dass es dann besonders medienwirksam ist.

00:25:53 Christian Dietrich: Ja. Man wollte also sicherstellen, dass die Welt zuschaut, wenn das Chaos beginnt. Wenn wir mal kurz zusammen fassen: Was haben wir aus dieser Vorbereitungsphase gelernt? Also wir haben gelernt, Spear-Phishing geht immer…

00:26:04 Lars Wallenborn: Ja, und zwar richtig viel. Also je mehr Spear-Phishing desto besser. Immer weiter Spear-Phishing. Also egal, wenn du nicht weißt – when in doubt – Spear-Phishing.

00:26:12 Christian Dietrich: Es gibt mehrere, ich sag mal Baustellen, gleichzeitig. Das heißt also mehrere Aktionsstränge seitens des Akteurs. Es wurde gerade mal drei Monate vor der Eröffnungsfeier angefangen mit dieser Mission. Einen Monat vorher – Pi mal Daumen –  war man drin, war man in der Zielumgebung drin. Und zwei Wochen vorher hat man dann das Credential Dumping gemacht auf den 16.000 Rechnern mit 400 Accounts, die man dann eben zum Zugriff hatte. Eineinhalb Stunden vorher wurde die Malware in das Zielnetz geladen, etwa 20 Minuten vorher wurde sie verbreitet und zur Eröffnung der Eröffnungsfeier schlug sie dann eben los.

00:26:47 Lars Wallenborn: Also selbst wenn man sich damit beschäftigt – und retrospektiv weiß man ja, was dann passiert ist – bleiben so ein paar Fragen offen. Zum Beispiel: Warum diese Smartphone Apps, die so schlecht funktioniert haben? Und auf wen hatte man es damit abgesehen? Also das ist ein riesen Fragezeichen für mich.

00:27:07-9 Christian Dietrich: Man könnte sich natürlich auch fragen, war es eigentlich von Anfang an klar, dass das eine Sabotage Aktion wird? Ich würde mal vermuten ja, weil die Wiper Entwicklung auch so früh begonnen hat.

00:27:17 Lars Wallenborn: Gut, aber Wiper auf Smartphones? Klar, also ich meine Wiper auf Smartphones ist ja immer technisch…

00:27:22 Christian Dietrich: Nein, nicht auf Smartphones.

00:27:22 Lars Wallenborn: Ja, ist schon klar. Also Wiper auf Smartphones? Man könnte ja sagen es ist eine Wiper Aktion, dann will man vielleicht mit diesen Smartphone Apps auch Smartphones wipen. Das geht erst mal technisch halt natürlich nicht, das wissen wir ja beide, aber man kann auf dem Smartphone ganz andere Sachen machen. So Screen Locker irgendwie schreiben, das sind dann so Fenster, die sind dann so groß wie der ganze Bildschirm des Smartphones und verhindern, dass das Smartphone noch funktioniert. Das wäre halt auch schon, wenn man das auf richtig vielen Geräten installiert, wahrscheinlich schon auch ein krasser Impact. Weil für viele Leute ist das Smartphone das Ding. Also wenn das Smartphone kaputt ist, dann ist der Tag oder die Woche gelaufen. Und na ja, wenn jetzt zu den olympischen Spielen gehen heißt, dass das Smartphone kaputt ist, hätte das natürlich auch viel Impact. Aber wie gesagt, da stehe ich sehr im Dunkeln. Ich weiß nicht, was diese Apps konnten oder können wollten, und die waren ja jetzt auch nicht so erfolgreich. Aber ansonsten stimme ich dir zu. Das war glaube ich von Anfang an als destruktive Aktivität geplant. Vielleicht nicht nur, du hast ja auch gesagt, es gibt da so verschiedene Handlungsstränge, die die verfolgen. Aber insbesondere ist die Wiper Malware schon ziemlich früh in der ganzen Operation angefangen worden zu entwickeln, und das würde ich sagen, spricht dafür, dass zumindest eine Komponente des Angriffs, destruktiv sein sollte.

00:28:30 Christian Dietrich: Okay. Wir haben verstanden, die Angreifer wollen möglichst nah ran kommen, an die TV Übertragung und das ganze eben so versuchen negativ zu beeinflussen. Aber zurück zur Story, und wir wechseln jetzt mal so ein bisschen die Perspektive. Schauen wir uns doch mal an, wie das für Betroffene sich gestaltete:

„Practice makes perfect. So, before the opening ceremony of the Pyeongchang Winter Olympic Games, we have prepared. We had worried about the Cyber Attacks by the North Korean hackers. „

Wir haben hier Wansik Kim gehört, ein Südkoreaner, nämlich der Deputy Manager des International Broadcast Centers. Der sozusagen verantwortlich oder mitverantwortlich war für die Medienübertragung.

00:29:22 Lars Wallenborn: Und insbesondere hat er so eine verteidigende Rolle in dieser ganzen Olympischen Spiele Situation gespielt. Und er hat gerade, in diesem Ausschnitt den wir eingespielt haben, ja auch gesagt „Practice make perfect.“, also Übung macht den Meister. Die haben sich also vorbereitet. Die haben sich halt vorbereitet auf einen Angriff von nordkoreanischen Hackern, also diese beiden Länder sind ja historisch…haben ja eine etwas schwierige Beziehung, und da wollte man halt vorbereitet sein. Und dann hat man wahrscheinlich so Drills gemacht und so weiter. Und irgendwann ist es dann wahrscheinlich aufgefallen, dass da dieser Wiper sein Unwesen treibt und dann na ja, war es keine Übung mehr.

00:29:59 Christian Dietrich: Und da merkt man halt, Südkorea ist halt ein hochtechnologisches Land, die können das schon vernünftig einschätzen. Die haben realistische Bedrohungen auch schon in der Vergangenheit gehabt, zum Beispiel in Form von Cyber Angriffen, wie du  ja auch gerade erwähnt hast. Zum Beispiel aus Nordkorea, aber mutmaßlich natürlich auch aus vielen anderen Staaten. Und das ist der Grund, dass die eben versucht haben, sich vernünftig vorzubereiten. Trotzdem gab es da einen gewissen Effekt. Und man muss sagen, außerhalb der Umgebung bei den Olympischen Winterspielen haben es auch Leute gemerkt. Allen voran zum Beispiel Sicherheitsforscher.

00:30:31 Lars Wallenborn: So wir haben jetzt auch mal versucht so ein bisschen zusammenzutragen, was denn öffentlich so an Impact überhaupt herausgekommen ist zu dem Zeitpunkt. Und da gibt es erst mal so ein YouTube Video von so einer Sicherheitsfirma Talos, die hat irgendwie in dem YouTube Video erwähnt, dass die Website nicht erreichbar war. Dass vor Ort auf den Olympischen Spielen Tickets nicht ausgedruckt werden konnten und einige Besucher eben keinen Zugriff auf die Event Informationen hatten, die da irgendwie verteilt wurden. Was auch wohl irgendwie war, dass in irgend so einem Journalismus Center das Wi-Fi nicht funktioniert hat – ah ja, Main Press Center, heißt das irgendwie und das wohl für mehrere Stunden.

00:31:09 Christian Dietrich: Okay. Das ist aber alles irgendwie nicht wirklich dramatisch. Also wahrscheinlich hat die Übertragung an sich immer noch funktioniert. Das ist ja wahrscheinlich so mit das Wichtigste, also die Millionen die da vor den Bildschirmen sitzen, zu Hause, die sehen also irgendwie noch was. Das Pyeongchang Organizing Committee hat dann später auch verlautbart, dass 50 Server impacted wurden, also betroffen waren durch dieses Wiping. Da waren allerdings Aktiv Directory und Datenbankserver dabei. Also man kann sagen, dass waren dann auch schon durchaus auch zentrale Server, die da betroffen waren. Insgesamt gab es wohl etwa 300 Server. Genau. Lass uns vielleicht mal noch weiter reinzoomen, nämlich in die erste Nacht. Also um 20:00 Uhr Ortszeit beginnt die Eröffnungsfeier, um 19:42 Uhr, also etwa knapp 20 Minuten vorher wurde der Wiper aktiv. Was ist dann eigentlich passiert?

00:31:59 Lars Wallenborn: Ja, dann waren wohl am Anfang direkt neun Domain Controller betroffen, also die wurden dann wahrscheinlich irgendwie gewiped. Und was man dann halt machen kann, so als Verteidiger, ist die neu aufzusetzen.

00:32:09 Christian Dietrich: Erstmal ist ja vielleicht völlig unklar, warum so Domain Controller auf einmal ausfallen, oder? Ist das sofort klar, dass das irgendwie eine Malware ist? Wahrscheinlich nicht unbedingt?

00:32:19 Lars Wallenborn: Nein, aber Domain Controller fallen, glaube ich, nicht so oft…also anders, wenn dir der Domain Controller häufiger mal so ausfällt, dann bist du glaube ich eh an einem sehr schlechten Ort. Und ich glaube die waren an einem guten Ort. Also die haben sich glaube ich auf viel vorbereitet.

00:32:31 Christian Dietrich: Okay, aber du könntest vielleicht auch denken, die sind vielleicht überlastet oder keine Ahnung. Es ist schon wichtig, du weißt, glaube ich, in dem Moment noch nicht, dass du hier einen Wiper Angriff gerade eigentlich hast. Sondern was machst du? Du setzt Ersatz Domain Controller auf, und versuchst das Problem dadurch vielleicht dadurch in den Griff zu bekommen.

00:32:46 Lars Wallenborn: Aber was da wohl passiert ist, ist, dass sie das Problem gar nicht in den Griff bekommen haben. Also die haben die Domain Controller ausgetauscht, und durch neue ersetzt, neu installiert, und irgendwie sind dann andere wieder kaputt gegangen und so weiter. Und dann hat man halt kurz vor Mitternacht eine relativ drastische Entscheidung getroffen, nämlich dieses ganze Netz vom Internet zu trennen. Und das ist relativ drastisch, weil das halt viele, viele Implikationen hat. Das heißt, dass man das Netzwerk nur noch von innen administrieren kann zum Beispiel…

00:33:12 Christian Dietrich: Die ganzen Journalisten können nicht mehr nach Hause mailen oder telefonieren…

00:33:16 Lars Wallenborn: Genau, also da spielt man quasi – wenn man zu dem Zeitpunkt schon denkt, dass es sich um einen Angreifer handelt, der einen destruktiven Angriff durchführen möchte – dann spielt man dem quasi in die Hände, weil man selber auch destruktive Entscheidungen trifft. Nämlich die Internetverbindung selbst zu trennen. Kann aber natürlich auch eine gute Idee sein, falls der Akteur dann noch aktiv ist auf den Computern, ja also den buchstäblichen – oder in dem Fall den virtuellen –  Stecker zu ziehen, ist auf jeden Fall schon mal ein Schritt, der dafür sorgt, dass die gesamte Situation so ein bisschen deterministischer wird. Also man hat nicht auch noch jemanden, der da aktiv Dinge auf den Computern macht.

00:33:52 Christian Dietrich: Ja, weil man eben verhindert, oder hofft zu verhindern, dass der Angreifer die Malware überhaupt noch kontrollieren kann. Die Angreifer sind ja nicht vor Ort, sondern sie kontrollieren eben die Malware aus der Ferne, eben über das Internet. Und diese Möglichkeit will man ihnen halt nehmen, in der Hoffnung, dass sie dann nicht eben sich weiter verbreitet. Aber, die Malware agiert eben autonom.

00:34:11 Lars Wallenborn: Die Malware braucht überhaupt keinen Akteur, der sie steuert. Also…

00:34:15 Christian Dietrich: Zu dem Zeitpunkt.

00:34:16 Lars Wallenborn: Genau. Zu dem Zeitpunkt. Die wurde ausgebracht und hat von da an quasi autonom ihr Werk verrichtet. Und was die Malware auch gemacht hat, dass sie sich auch selber in dem Zielnetz weiter verteilt hat. Und auch neue Computer infiziert hat und auf denen dann auch wieder Dateien zerstört hat und so weiter.

00:34:31 Christian Dietrich: Was es aber schon verhindert, ist, dass die Akteure jetzt irgendwie weitere Malware nachschieben können oder irgendwie halt das Verhalten der Malware beeinflussen können. Das heißt, auch die Akteure müssen sich jetzt drauf verlassen, dass das, was sie da vorher hinein programmiert haben, an Verhalten in die Malware, dass das halt irgendwie wirkt.

00:34:48 Lars Wallenborn: Und jetzt nerde ich gerade mal ein bisschen über das, was die Malware da gemacht hat. Also da gab es irgendwie viele Theorien darüber, was da passiert ist. Wir haben uns das jetzt mal…ich habe mir das jetzt noch mal selber angeguckt und so, was nämlich ganz interessant ist, wenn man sich Samples, wenn man sich Dateien von dieser Malware anguckt, und dann einfach mal guckt, was sind da so für Zeichenketten drin. Dann fällt einem auf, da sind so User Namen und Passwörter und so Domain Namen von den betroffenen Organisationen, von den Zielumgebungen in der Malware drin. Und es kann natürlich erst mal daran liegen, oder es liegt wahrscheinlich auch daran, dass der Akteur diesen Malware Samples dann ein Startset an Credentials an Benutzernamen und Passwörtern dann mitgegeben hat. Das liegt aber auch noch daran, dass die Malware nämlich folgendes macht. Wenn die ausgeführt wird, die enthält nämlich noch so ein paar andere Unterdateien, die sogenannten PE Ressourcen. Da sind zwei dabei, die sind dafür da, noch Credentials von dem Computer auf dem sie ausgeführt wird, einzusammeln. Das heißt, diese Malware sammelt auf dem Computer auf dem sie ausgeführt wird, erst mal weitere Benutzernamen-Passwort-Kombinationen ein. Und erzeugt dann eine Kopie von sich selber und erweitert diese Liste, die in ihr drin ist, um diese gerade eingesammelten Benutzernamen und Passwörter. Und verteilt sich dann mit denen weiter im Netzwerk. Und die Intention dahinter ist halt, na ja, ein Computer, der auf andere Computer Zugriff hat, der hat auf die ja wahrscheinlich auch Zugriff. Also der hat da wahrscheinlich auch irgendwie gespeicherte Passwörter und gespeicherte Benutzernamen. Die werden da alle mit eingesammelt. Und bei der nächsten Iteration, wenn die Malware sich auf den nächsten Computern verteilt hat, dann hat die halt jetzt noch mehr von diesen Usernames und Passwords zur Verfügung. Und das kann sie alles alleine machen.

00:36:23 Christian Dietrich: Genau. Das hat sie auch gemacht. Und jetzt würde man eben meinen, alles klar, man kann eigentlich irgendwie aufgeben, Handtuch werfen und man kann nichts mehr machen. Aber so waren die Südkoreaner hier an der Stelle eben nicht drauf. Sondern die haben natürlich eben versucht, den Kampf da weiter zu führen. Die haben um 5:00 Uhr morgens – also die haben die ganze Nacht durchgemacht –  um 5:00 Uhr morgens hatten sie es geschafft, eine Signatur für diese Schadsoftware, also für diesen Wiper, zu schreiben. Die hatten da wohl Unterstützung von einem koreanischen Antiviren Unternehmen, AhnLab. Und mit Hilfe dieser Signatur konnten sie eben die Schadsoftware auf allen Computern erkennen und auch blockieren. Und in dem Moment gab es auch wieder Hoffnung.

00:37:00 Lars Wallenborn: Und jetzt kommt noch das zum Tragen, was wir eben gesagt haben. Das hat jetzt den Vorteil, dass diese Computer nicht mehr mit dem Internet verbunden sind, weil jetzt gibt es eine Signatur für diese Malware, die wird jetzt hoffentlich geblockt von der Antiviren Software die auf den Computern läuft, und der Akteur hat jetzt keine Möglichkeit mehr, noch was anderes hinterher zu schieben. Was die jetzt wahrscheinlich auch gemacht haben, ist dafür zu sorgen, dass der Akteur auch seinen Zugriff verliert, wahrscheinlich indem sie ganz viele Usernames und Passwords resettet haben.

00:37:24 Christian Dietrich: Dieser Wiederaufbau, der war um 08:00 Uhr morgens abgeschlossen. Das ist halt phänomenal. Also das heißt, um etwa 20:00 Uhr am Vorabend beginnt die Eröffnungsfeier, das Chaos nimmt seinen Lauf, um 05:00 Uhr am nächsten Morgen gibt es irgendwie den Hoffnungsschimmer am Horizont, und um 08:00 Uhr morgens läuft die komplette Infrastruktur im Prinzip wieder so, wie sie vorher lief. Sodass man also sozusagen mit Tagesanbruch eigentlich schon fast nicht mehr gemerkt hat, dass da in der Nacht vorher so ein destruktiver Sabotageakt passiert ist.

00:37:56 Lars Wallenborn: Man könnte sich jetzt fragen, war das jetzt ein erfolgreicher Angriff oder nicht?

00:38:00 Christian Dietrich: Ganz genau. Das hängt davon ab, was der Angriff wirklich bezwecken sollte. Vermutlich sollte es bezwecken: Die ganze Welt schaut zu, und dann fällt irgendwie die Medienübertragung aus. Schwarze Bildschirme, die Leute an den Fernsehern wissen nicht, was los ist. Aber diesen Ausfall der Medienübertragung, den gab es nicht, oder zumindest war der wiederum nicht medienwirksam. Es waren wahrscheinlich nur lokal die Journalisten betroffen, die haben den Ausfall irgendwie mitbekommen. WLAN ging nicht, Tickets konnten irgendwie nicht gedruckt werden, aber das schlägt, glaube ich, nicht so wirklich große Wellen. Und insbesondere die Tatsache, dass es eben am nächsten Morgen schon wieder alles funktioniert hat und die Spiele selbst, also die sportlichen Wettkämpfe, scheinbar eben ohne jede Beeinträchtigung starten konnten, ja, das lässt mich eigentlich so ein bisschen eher schließen, dass die Operation eigentlich fehlgeschlagen ist. Aber Lars, ich meine, mal ganz ehrlich, wenn man das mal so ein bisschen aus der Distanz betrachtet, das machen doch keine Leute mit Verstand? Oder? Also ich meine, warum reagieren die Angreifer nicht?

00:39:02 Lars Wallenborn: Ja, ich weiß es nicht. Ich steck da in deren Schuhen nicht. Also, ich meine, was will man denn auch machen? Also man hat jetzt Monate und Wochen gebraucht, um Zugriff auf irgendwelche Systeme zu kriegen. Jetzt kann man nicht innerhalb von einem Tag in dem das jetzt nicht geklappt hat, was man versucht hat, nochmal Zugriff auf irgendwelche Systeme kriegen. Insbesondere nicht, in der Situation, wo jetzt quasi das Cyber-Immunsystem der Olympischen Spiele schon so aktiviert ist, dass da jetzt wahrscheinlich jeder noch so kleine Netzwerkalarm genau nachverfolgt wird und so weiter.

00:39:41 Christian Dietrich: In einem Film würde man jetzt sagen: Da muss man halt noch härter hacken.

00:39:47 Lars Wallenborn: Genau. Dazu kommt aber noch etwas ganz anderes, was ich an Wiper Angriffen immer ganz interessant finde. Also als Angreifer hat man ja jetzt ein Strategie-inhärentes Problem. Also in dem Moment, wo man nämlich erfolgreich ist, beim Ausführen des Angriffs, hat man überhaupt keine Ahnung mehr darüber, ob man erfolgreich war. Also, aus der Angreifer Perspektive ist das ja quasi so eine Blackbox, so ein Netzwerk, und jetzt verliert man plötzlich Zugriff. Und das kann jetzt entweder daran liegen, dass man erwischt wurde und man ausgesperrt wurde, oder dass diese Wiper Malware so erfolgreich war, dass in dem Netzwerk halt kein Computer mehr funktioniert und ich deswegen den Zugriff verloren habe. Also das ist eine ganz schwierige Situation als Angreifer, da überhaupt noch einzuschätzen, ob das erfolgreich ist. Und ich vermute mal, der einzige Weg, den man da hat, ist, dass man guckt, ob irgendwelche News…ob die Bild Zeitung darüber schreibt, dass die Olympischen Spiele gehackt wurden.

00:40:45 Christian Dietrich: Na ja man könnte es theoretisch natürlich anders entwerfen. Man könnte zum Beispiel den Wiper durchaus so programmieren, dass er vielleicht ab einer bestimmten Menge an Systemen, eben vielleicht nicht komplett aktiv wird. Also das heißt, man könnte, wenn man das wirklich komplett durchdenkt, was dann passiert, in dem Moment wo so ein Wiper da eben so die Infrastruktur plättet, wie du das gerade ja gut beschrieben hast, das könnte man vermutlich schon irgendwie versuchen hin zu bekommen. Aber auch da muss man halt sagen: Klar, gut, du musst die Infrastruktur einfach richtig gut kennen, und du läufst natürlich auch Gefahr, wenn du die falschen Systeme sozusagen am Laufen lässt. Dann erzeugst du eben vielleicht auch keinen Impact. Also es ist gar nicht so trivial wahrscheinlich aus Angreifersicht.

00:41:28 Lars Wallenborn: Nein, überhaupt nicht. Man muss natürlich hier sagen, die Angreifer kannten die Infrastruktur glaube ich ganz gut, das hatten wir auch in einem der Einspieler vorhin gehört. Die haben da auch auf den Zielcomputern so Infrastruktur Diagramme gefunden und so. Die kann man ja dann verwenden. Andererseits ich meine, sich in eine Infrastruktur einzuarbeiten, ist schon genug Arbeit, wenn man bei einer Firma neu anfängt. Und hier hat niemand bei einer Firma neu angefangen. Hier versucht man das zu hacken. Also das heißt, man kann nicht irgendeinen Kollegen, in Anführungszeichen, fragen, wie das hier funktioniert und wie das gemeint ist und so weiter. Da ist einfach schon auch ein Informationsungleichgewicht vorhanden zwischen Angreifer und Verteidiger. Und es ist ja auch richtig, dass die Verteidiger es dann auch ausnützen.

00:42:08 Christian Dietrich: Wenn wir jetzt mal versuchen, so ein bisschen rauszuzoomen. Also wir haben uns jetzt ganz viel auf die Geschehnisse vor Ort fokussiert, und wie sich die Verteidiger da eben irgendwie verteidigt haben, in dieser Nacht. Da muss man eben sagen, auch außerhalb Pyeongchangs wurde das wahrgenommen. Und zwar schon am Samstag, also einen Tag nach der Eröffnungsfeier ist diese Schadsoftware Security Researchern aufgefallen, die gar keinen direkten Bezug zur Organisation der Olympischen Winterspiele hatten. Und man kann sagen, ich glaube im Laufe des Wochenendes war schon klar, es handelt sich um eine destruktive Malware. Also unabhängig von den lokalen Analysen vor Ort, kamen eben die anderen Forscher zu der Einschätzung, es handelt sich hier um einen Wiper. Und der Bezug zu den Olympischen Winterspielen war da.

00:42:54 Lars Wallenborn: So, das heißt, wir haben uns jetzt kurz die Perspektive des Angreifers angeschaut, die Perspektive des Verteidigers angeschaut und jetzt wollen wir mal die Perspektive des Cyber Thread Intelligence Analysten anschauen. Und das ist eine die…ich meine, das ist vielleicht nicht so offensichtlich was die für ein Problem haben. Weil diese Perspektive hat noch ein ganz anderes Problem: Die sind nicht in einem Netzwerk und finden da Malware und müssen verstehen was diese Malware in diesem Netzwerk macht. Sondern die haben irgendwie meistens Zugriff auf irgendeinen Strom von Malware Samples, die so vorbei fliegen, und das sind halt unangenehm viele. Das sind unübersichtlich viele…

00:43:27 Christian Dietrich: Millionen. Pro Tag.

00:43:28 Lars Wallenborn: Ja, genau. Auf jeden Fall viel zu viele, um sich die von Hand irgendwie alle einzeln anzugucken. Und die müssen jetzt halt ein anderes Problem lösen. Die haben jetzt irgendwie Echtwelt Ereignisse, wie zum Beispiel die Olympischen Spiele, und müssen jetzt in diesem Strom von Malware versuchen zu raten, welche Malware betrifft diese verschiedenen Echtwelt Events. Dann, wenn sie glauben, das hat was damit zu tun, was machen sie? Und das ist halt hier wahrscheinlich an dem Wochenende passiert. Da haben wahrscheinlich Leute nicht so auf ihre Work-Life-Balance geachtet – kann man vielleicht auch mal ausnahmsweise machen, wenn  Olympische Spiele sind – ja haben da wahrscheinlich Malware analysiert und auch diesen Bezug zu den Olympischen Spielen hergestellt.

00:44:01 Christian Dietrich: Insbesondere haben sie sich eben die immer interessante Frage gestellt, wer war es? Das heißt, sie haben sich um die Frage der Attribution gekümmert. Und um uns jetzt mal so ein bisschen der Attribution zu nähern, versuchen wir mal, hier so ein paar Hypothesen durch zu spielen. Die erste wäre, dass wir Nordkorea…

00:44:17 Lars Wallenborn: Nordkorea ist ja jetzt hier der Elefant im Raum. Also wir haben ja eben schon in dem Einspieler von Wansik Kim gehört, das ist der Angreifer, gegen den sie sich auch vorbereitet haben, weil sie Cyberangriffe aus Nordkorea erwartet haben.

00:44:30 Christian Dietrich: Und beim ersten Blick hat man auch direkt einen Treffer, denn der Code der Malware, also der Code in dem Wiper, der weist Ähnlichkeiten mit einer Malware auf, die man in der Vergangenheit schon Nordkorea zugeordnet hat. Das heißt, wir sprechen hier von Code Overlap, und zwar in dem Wiping-Modul, also wirklich auch in einem charakteristischen, zentralen Modul dieses Angriffs. So, dann würde man vielleicht erst mal sagen: Okay, Check. Also an der Stelle haben wir hier an der Stelle ein Match.

00:44:56 Lars Wallenborn: Genau, man könnte jetzt sagen, man hat einen technischen Overlap mit Nordkorea.

00:44:59 Christian Dietrich: Die ganze Sache ist aber nicht so einfach. Denn wenn man weiter schaut, und vielleicht so eine Nation wie China irgendwie ins Auge fasst, dann findet man auf einmal auch Ähnlichkeiten. Es gab andere Forscher, die haben nämlich hier Ähnlichkeiten – nicht in dem Wiper Modul, sondern in dem Teil, der das Stehlen von Benutzername und Passwort macht, also in dem Credential Theft Modul – gefunden. Und da eben konkret eine Routine zur Schlüsselerzeugung von AES…

00:45:27 Lars Wallenborn: Nein, das war nicht in dem Credential Theft Modul.

00:45:30 Christian Dietrich: Stimmt.

00:45:30 Lars Wallenborn: Also diese Credential Theft Module, die waren halt enthalten in dieser Malware, in dieser Dropper, in dem darüber stehenden. Und es gab zusätzlich noch – der hat halt diese Module geschützt, über Verschlüsselung, und zwar über AES. Das ist so ein Standard Verfahren zur symmetrischen Verschlüsselung. Und da muss man Keys generieren, und der Code, um diese Keys zu generieren, der hatte Overlap mit Code, den man vorher chinesischen Akteuren zugeordnet hat.

00:46:00 Christian Dietrich: Ah ja stimmt, Lars. Danke, genau, so war das – dann gab es aber noch eine Funktion, die sowohl in der hier betrachteten Malware vorkam, als auch in einer Malware, die eben in der Vergangenheit China zugeordnet war. Es gibt nur ein Problem…

00:46:12 Lars Wallenborn: Und die war überraschend gleich. Die war überraschend gleich.

00:46:16 Christian Dietrich: Es gibt nur ein Problem.

00:46:16 Lars Wallenborn: Da muss man aber auch dazu sagen, die war auch nur dafür da, die Größe von einer Datei zu bestimmen.

00:46:21 Christian Dietrich: Genau.

00:46:23 Lars Wallenborn: Und ich sage mal, wenn du mich jetzt fragen würdest, Code zu schreiben, um die Größe einer Datei zu bestimmen, würde ich Code schreiben und der sieht dann vielleicht genau so aus. Also dieser Code Overlap, den würde ich dieser Tatsache zuschreiben, dass –  also auch der Code Overlap in der AES Schlüsselgenerierung würde ich der Tatsache zuschreiben – dass es für solche Sachen halt nur eine Handvoll Methoden gibt, das zu tun. Und mit bestimmter Wahrscheinlichkeit schreiben zwei völlig unabhängige Leute da was, was ziemlich ähnlich aussieht.

00:46:49 Christian Dietrich: Wir wollen eigentlich Code Overlap in charakteristischem Code haben. Das was wir aber jetzt hier im Fall des Bezugs zu China bisher nur gesehen haben, ist eigentlich relativ generischer Code, in dem wir diesen Code Overlap haben. Und ich meine es war auch so, dieses Credential Theft Modul basierte ja, glaube ich, auch auf Methoden aus Mimikatz. Einem Tool, was wiederum öffentlich verfügbar ist, sodass man hier eigentlich ja eben von sehr generischem Code quasi sprechen kann. Also dieser Code Overlap wiegt vermutlich nicht so wirklich schwer. Schauen wir uns einen weiteren Kandidaten an, der vielleicht hier so ein bisschen ins Fadenkreuz käme: Russland.

00:47:28 Lars Wallenborn: Da haben wir auf jeden Fall einen Overlap im technischen Verhalten, sage ich mal. Also dieses Credential Theft machen und Dumping, und dann das in die Binary schreiben, das was ich vorhin so ein bisschen erklärt habe. Das hatten wir vorher schon mal gesehen, in der NotPetya Malware, die wird Russland auch mit hoher Wahrscheinlichkeit zugeschrieben. Und es gab auch eine Domain, die da in diesem Kontext, ich glaube von den Word-Dateien verwendet wurde: account-loginserv[.]com. Und die hat man auch wohl vorher Russland zugeordnet. Das konnten wir jetzt aber nicht unabhängig bestätigen, das hat jemand im Internet gesagt.

00:48:04 Christian Dietrich: Und jetzt sehen wir hier halt einen ganz interessanten Fall, also wir haben bisher eben maßgeblich Code Overlap gesehen. Aber hier, im Fall von Russland, haben wir also TTP Overlap. Das heißt also Ähnlichkeiten in der Vorgehensweise, aber keine detaillierte Gleichheit sozusagen im Code. Und wir haben aber auch in einer anderen Dimension eine Ähnlichkeit, einen Overlap, nämlich in der Infrastruktur. Das haben wir eben bei den anderen beiden bisher auch noch nicht gesehen. Und das ist ein ganz wichtiger Punkt. Nämlich bisher haben im Prinzip viele eigentlich nur auf Code Overlap geachtet. Das heißt, sie wollten Ähnlichkeiten, sehr detaillierte Ähnlichkeiten in der Malware finden und haben eben maßgeblich Malware-Analyse gemacht.

00:48:43 Lars Wallenborn: Und das ist als Techie auch eine naheliegende Sache die man macht, ja. Also man kennt sich mit Malware aus, man kennt sich mit Reverse Engineering aus, dann ist es auch komfortabel und innerhalb meiner Komfortzone, wenn ich mich darauf konzentriere und dann ganz, fast wissenschaftlich fundierte Aussagen machen kann. Oder was heißt fast? Also, dass ich da quasi da so ganz harte Zahlen habe, mit denen ich meine Aussagen untermauern kann und so.

00:49:03 Christian Dietrich: Was ja aber die Attribution insgesamt ein bisschen verlässlicher machen kann, ist eben so eine strukturierte Vorgehensweise, in der man mehrere Dimensionen betrachtet, als nur die Malware…

00:49:13 Lars Wallenborn: Ist hier ja auch dringend notwendig. Weil wir haben bisher drei Akteure gehabt, und bei allen dreien – oder drei Länder gehabt, mit jeweils Akteuren da drin – bei allen dreien haben wir gesagt: Ja, die könnten es eigentlich sein. Es gibt technische Indikatoren, dass die es waren. Also das reicht anscheinend hier nicht.

00:49:26 Christian Dietrich: Genau. Und das können wir jetzt nochmal machen. Also wir fangen jetzt nochmal vorne an, und fragen uns, was denn in den anderen Dimensionen – man könnte hier zum Beispiel das MICTIC Framework von Timo Steffens heranziehen – ja, was wir denn da so an Merkmalen haben. Also Nordkorea, ja, warum ist Nordkorea hier an dieser Stelle für diesen Angriff eigentlich unerwartet. Und da gibt es aus politikwissenschaftlicher Sicht eine ganz interessante Beobachtung, denn Politikwissenschaftler haben gesagt, die beiden Staaten, Nord- und Südkorea, die sind sich so nah, wie seit langem nicht. Also die befinden sich in einer Phase der Annäherung. Die sind sogar gemeinsam ins Stadion eingelaufen bei der Eröffnung der Olympischen Winterspiele. Genau, also an der Stelle wäre es halt unerwartet, wenn jetzt diese Annäherung von einem eben in der Form sabotiert wird, wie wir es hier gesehen haben. Oder versucht wird zu sabotieren.

00:50:16 Lars Wallenborn: Genau. Also das ist schon, also ich sage mal, anscheinend ist es okay, zwischen Staaten die befreundet sind, so ein bisschen Spionage zu machen. Das ist anscheinend so ein Agreement, auf das sich alle geeinigt haben, und das wird wahrscheinlich auch keinem vorgeworfen werden…

00:50:27 Christian Dietrich: Nein. Die werden sich nicht geeinigt haben, die machen einfach.

00:50:30 Lars Wallenborn: Aber Sabotage ist halt was anderes. Das ist halt…das will halt eine Message senden und das ist dann hier die Frage: Welche Message wollte Nordkorea Südkorea dann da senden. Da würde ich sagen, da spricht eher nicht so viel dafür.

00:50:44 Christian Dietrich: Ja, man könnte vielleicht sagen, was sollte Sabotage an dieser Stelle eigentlich für ein politisches Ziel verfolgen? Und ich weiß nicht, ob man dafür eine gute Antwort findet. Es gibt noch mal eine technische Besonderheit und die macht den ganzen Fall glaube ich noch mal richtig interessant aus technischer Perspektive. Und zwar ist das der Byte-gleiche PE-Header.

00:51:03 Lars Wallenborn: Genau, wir hatten vorhin gesagt, es gibt einen Overlap zwischen der Wiper Malware, die hier zum Einsatz gekommen ist, und einer vorher betrachteten Malware aus Nordkorea. Und das kann man sich so vorstellen, so eine Windows-Executable-Datei, die fängt mit so was an, das nennt man den PE Header, und das sieht immer ungefähr gleich aus, aber normalerweise halt eben nicht exakt gleich. Wenn man so eine Datei zweimal kompiliert, dann sorgt das für sehr ähnliche oder vielleicht sogar gleiche PE Header, aber wenn man eine Malware schreibt, später eine andere Malware schreibt, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass exakt der gleiche rauskommt, schon eher klein. Aber was in diesem PE Header auch drin ist, sind sogenannte Rich Header. Zumindest wenn man die Microsoft Tool Chain verwendet. Und diese Rich Header, die enthalten eine Beschreibung der Entwicklungsumgebung, die da verwendet wurde.

00:51:49 Christian Dietrich: Und in dem Spezialfall hier war es eben so, dass der Compiler, den man aus diesem Rich Header rekonstruieren konnte, überhaupt nicht zu dem generierten Code gepasst hat. Das heißt, das ist ein Artefakt und das ist auffällig. Konkret ist es nämlich so, dass man im Kontext von Nordkorea maßgeblich ältere Compiler Versionen beobachtet hat. Aber hier in diesem Sample, das bei den Olympischen Winterspielen eingesetzt wurde, waren es eben neuere Compiler und passte eben insbesondere nicht zu den Angaben im Rich Header.

00:52:19 Lars Wallenborn: Genau, also der Code der dabei herauskommt, dafür braucht man relativ viel Erfahrung, das zu erkennen und so…der Code, der dabei rauskommt, der wurde wahrscheinlich mit einem neuen Compiler generiert. Aber der Rich Header, der da drin stand, hat darauf hingewiesen, dass es eigentlich eine alte Compiler Tool Chain ist, die da zum Einsatz gekommen ist. Das hat also nicht zusammen gepasst.

00:52:36 Christian Dietrich: Okay. Können wir denn jetzt diese anderen beiden Hypothesen, also China und Russland, was können wir denn damit machen? Schauen wir uns nochmal vielleicht den Bezug zu China an. Also ja, wir haben irgendwie gesehen, es gibt hier Code Ähnlichkeit – sogar in drei Fällen. Das Problematische an der Geschichte war nur, das war mit drei verschiedenen Akteuren. Nämlich APT3, APT10 und APT12. Also drei verschiedene Akteure, die zwar alle China zugeordnet werden, aber eigentlich muss man sich fragen: Moment, wer war es denn jetzt? Also eine gemeinsame Aktion von diesen dreien im spezifischen ist eigentlich eher unplausibel. Die Granularität Land, hinsichtlich der Attribution, die ist ja jetzt nicht irgendwie naturgegeben. Also man fängt vielleicht erst mal an, in Ländern zu denken. Und was wir damit oft meinen, ist gar nicht so sehr die Herkunft aus dem Land in irgend einer Form, sondern mehr, ob die Interessen – also gerade so bei gezielten Angriffen – ob die Interessen der Regierung oder der staatlichen Verwaltung in irgendeiner Form aus dem entsprechenden Land umgesetzt werden. Und jetzt sehen wir eben hier, wenn wir mal in der Granularität feiner werden wollen, als nur den Bezug zu einem Land, dann wird es halt super problematisch – in Bezug auf China.

00:53:46 Lars Wallenborn: Und ich finde, das ist auch ein Beispiel wo man gut erkennt… also man wird gelegentlich mal gefragt, ja wen interessiert es denn, welcher Akteur aus Russland das war, oder welcher Akteur aus China das war. Na ja, das interessiert eigentlich aus einer politischen Sicht nicht so viele Leute, aber in so einem Fall interessiert es jetzt schon. Wenn man sagt, diese drei Kriterien die wir gerade hatten, die sind alle China zugeordnet, dann hört sich das so an, als könnte es vielleicht China sein. Aber wenn man jetzt ein feineres granulares Tracking hat, von verschiedenen chinesischen Akteuren, kann man so eine Aussage tätigen wie: Na ja, das erste Kriterium, das wir beobachtet haben, gehört zu dieser Gruppe, das zweite zu dieser Gruppe und das dritte zu noch einer anderen Gruppe, und hat jetzt plötzlich ein Argument zu sagen: Na ja, also es ist unwahrscheinlich, dass diese drei Gruppen ganz plötzlich – vorher nie, und jetzt ganz plötzlich – angefangen haben, zusammen zu arbeiten. Und deswegen ist es wichtig, auch schon vorher eine Übersicht darüber zu haben, wie die Bedrohungslandschaft aussieht und eventuell auch feiner granular, als nur Land.

00:54:42 Christian Dietrich: Um eine weitere Dimension in der Attribution abzudecken, könnte man sich die Frage „Cui Bono?“ stellen, also die Frage, wem nützt dieser Angriff? Und da könnte man zunächst mal vielleicht festhalten, der Erfolg der Olympischen Spiele, der ist im Allgemeinen im Interesse zukünftiger Gastgeber. Und das ist hier besonders interessant, weil die Olympischen Winterspiele 2022 eben in Peking, in China stattfinden sollten. Das heißt also, China war in der Folge der nächste Ausrichter Olympischer Winterspiele.

00:55:11 Lars Wallenborn: Dem haftet jetzt ein großes Risiko an. Also wenn China jetzt die Olympischen Spiele sabotiert und das kommt raus, und…also ich weiß nicht, ob dann sogar so was passiert, wie den Gastgeber Status verlieren und die olympischen Spiele passieren woanders und so. Also da stellt sich schon die Frage, warum sollten die das machen?

00:55:27 Christian Dietrich: Genau.

00:55:28 Lars Wallenborn: Gut. Dann wechseln wir jetzt mal zum dritten Kandidaten, den wir auf unserer Liste haben, nämlich Russland. Da kann man sich jetzt auch mal überlegen, was gibt es da in der politischen Dimension zu sagen. Erstmal würde ich sagen, also generell hat Russland halt schon ein Interesse daran, in anderen Regionen – besonders in dieser Region hier –  für Unruhe und Instabilität zu sorgen. Das ist auf  jeden Fall in deren Interesse…

00:55:52 Christian Dietrich: So, und dann muss man knallhart mal festhalten, Russland hatte in diesen Spielen noch nicht mal Athlet:innen vertreten, denn formal waren die olympischen Athleten – also hieß es – nur olympische Athleten aus Russland. Und Russland als Nation war in Folge der Dopingvorfälle aus 2014 gesperrt. Und das kann man vielleicht mal so ein bisschen aufrollen. Wenn man sich da ganz kurz die Historie anschaut. Also 2014 waren die olympischen Winterspiele ins Sotschi in Russland. Russland ist damals als erfolgreichste Nation aus diesen Spielen raus gegangen. Kurz danach ist das staatliche Doping Programm aufgedeckt worden. Übrigens von dem Deutschen Hajo Seppelt, der das in einer ARD Doku „Geheimsache Doping“ zu Tage gefördert hat oder verfolgt hat. Und im Dezember 2017, also am 5. Dezember 2017 sperrt das Internationale Olympische Komitee Russland als Nation für die Olympischen Winterspiele 2022.

00:56:51 Lars Wallenborn: Also da wurde es offiziell. Das hat sich auch schon vorher angedeutet und so, aber da ist der Hammer gefallen, Russland darf nicht mitmachen.

00:56:57 Christian Dietrich: Vielleicht an der Stelle ein kleiner Filmtipp. Der Film „Ikarus“, das ist eine Doku, von Bryan Fogel. Da geht es unter anderem um Grigori Rodtschenkow. Ist ein ganz interessanter Film, kann man sich mal anschauen, wenn man da ein bisschen tiefer einsteigen will. Es gab noch eine zweite Beobachtung, die so ein bisschen verstörend wirkte vielleicht, als sie kam, denn die russische Regierung stritt einen Cyber Angriff ab, bevor es überhaupt einen Cyberangriff gab.

00:57:21 Lars Wallenborn: Und das ist immer ganz schlecht, wenn man anfängt, sich für etwas zu verteidigen, was noch gar nicht passiert ist. Oder was zumindest noch nicht mal aufgefallen ist, sage ich mal vorsichtig. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, was da schiefgelaufen ist, muss ich sagen. Also da schienen sich Leute ganz schlecht abgestimmt zu haben.

00:57:35 Christian Dietrich: Ich meine ein paar Tag später oder retrospektiv kann man eben sagen, das ist natürlich ein sehr, sehr auffälliges Verhalten. So und jetzt fragen sich wahrscheinlich alle Zuhörer:innen, woher haben wir eigentlich diese Sichtbarkeit, diese Visibility in diesem Vorfall?

00:57:49 Lars Wallenborn: Na ja, und so was wie um 19:42 Uhr wird die Wiper Malware in die Zielumgebung übertragen. Also da fragt man sich schon, haben die zwei Armchair Investigators jetzt vielleicht doch ein weltweites Spionageprogramm am Start.

00:58:00 Christian Dietrich: Leider war das nicht der Grund für die lange Pause in den Podcast Folgen. Wir berufen uns hier maßgeblich auf ein US Indictment, also auf eine Anklageschrift des US Department of Justice. Und zwar konkret auf das, was am 19. Oktober 2020 also über zwei Jahre nach dem eigentlichen Vorfall hier veröffentlicht wurde.

00:58:21 Lars Wallenborn: Genau. Und da steht halt das alles so genau drin. Ich fand es super interessant, das auch noch mal zu lesen und so. Wir verlinken das natürlich auch in den Shownotes. Da kann man genau das, was eben in der Folge hier alles vorkam, kann man hier genau so nachlesen. Mit Uhrzeiten, mit um so und soviel Uhr wurde die E-Mail verfasst und um so und soviel Uhr verschickt, also das ist schon beängstigend gute Visibility, die dieser Anklageschrift zu Grunde liegt.

00:58:45 Christian Dietrich: So, und jetzt kommen wir eben zu einem Knackpunkt hier in dieser Folge. Denn wir können an dieser Stelle festhalten: Wenn wir jetzt hier der vermeintlich stärksten Attribution Glauben schenken, nämlich dass es hier diese politische Motivation Russlands gibt, dann haben wir es hier mit einer sogenannten False Flag Operation zu tun. Das heißt, hier hat jemand bewusst versucht, den Ursprung, also die Attribution fehlzuleiten. Das bezeichnet man eben als False Flag. Und das Ganze hat einen relativ gutes Ende genommen, denn diese False Flag Operation ist aufgeflogen.

00:59:17 Lars Wallenborn: Ja, ich fand das auch sehr, ich sage mal, erhebend, das Gefühl. Das ist ja immer das große „The looming Evil on the Horizon“, dass es Akteure gibt, die nur so tun, als wären sie ein anderer Akteur. Und das auch so geschickt machen, dass man das überhaupt nicht auseinander halten kann. Und das ist hier vielleicht nicht so geschickt gemacht worden, wie man es hätte machen können, aber es ist auf jeden Fall hier passiert. Und es ist vor allem aufgefallen, nach vernünftiger Analyse, nach etwas Zeit die da ins Land gegangen ist und so, dass diese False Flag Operation, die da ausgeführt wurde und nicht erfolgreich war, und welche False Flag war das überhaupt? Also ich halte es für am wahrscheinlichsten, dass es russische Malware war, die da geschrieben wurde. Und dann hat man sich alte nordkoreanische Malware genommen, und da einfach so den PE Header von der koreanischen Malware in diese russische Malware rüber kopiert. Byte für Byte, in der Hoffnung, dass sich das jemand anguckt und sagt: Ha, das ist die gleiche Entwicklungsumgebung, die wir auch schon in der Malware gesehen haben, also es muss Nordkorea sein.

01:00:17 Christian Dietrich: Das zum einen, und zum anderen haben wir ja auch wirklich die Algorithmik ähnlich implementiert. Dass man da so in Blöcken à hex 1000 Bytes, also 4096 irgendwie liest, beziehungsweise  dann schreibt, das gab es ja auch. Aber du hast schon völlig recht. Wahrscheinlich ist diese Metadaten Gleichheit, die ist wahrscheinlich das beste Zeugnis davon, dass jemand also da wirklich den PE Header rüber kopiert hat. Eins zu eins übernommen hat.

01:00:42 Lars Wallenborn: Gut, dann wollen wir doch jetzt mal zum Fazit übergehen. Also der gesamte Fall ist aus unserer Perspektive halt jetzt eine relativ safe Situation. Also wir haben Industrie Reporting und öffentliche Blogposts und so weiter, die deuten alle auf Russland hin. Es gibt eine Anklageschrift aus den USA, die auch sagt, es war Russland, das ist also quasi aus einer Analysten Perspektive so gut ermittelt, wie es nur sein kann. Alle sind sich einig. Es gibt NSA Level Visibility in dem Fall, es gibt Industrie Reporting, das das unterstützt, und so weiter. Das heißt, wir können jetzt einfach mal annehmen, das war Russland. Und jetzt könnten wir uns mal fragen, warum machen die das überhaupt. Also Chris, warum machen die das überhaupt?

01:01:19 Christian Dietrich: Ja, Ziel könnte hier schon sein, dass man Vertrauen erodieren möchte, und zwar Vertrauen in das System Olympische Spiele. Insbesondere vielleicht hinsichtlich Fairness und Doping, beziehungsweise Anti Doping. Weil genau das eigentlich in dem Zeitraum zwischen 2014 und 2018 eine sehr große Rolle gespielt hat. Also dieses staatlich organisierte Dopingsystem wurde ermittelt, dokumentiert und veröffentlicht, und dann könnte man eben argumentieren: Na ja, dann sabotiere ich eben die Olympischen Spiele als den Ort, wo faire sportliche Wettkämpfe ausgetragen werden.

01:01:57 Lars Wallenborn: Wenn dieser ganze destruktive Angriff erfolgreich gewesen wäre, dann hätte man sagen können: Na ja, wie sollen die denn bitte sehr vernünftige Anti Doping Maßnahmen treffen, wenn sie noch nicht mal ihr Netzwerk gegen nordkoreanische Malware schützen können. Ja, das ist so ein bisschen die Idee. Und auch sehr viel primitivere Motive könnten dahinter stecken. Also ich meine, die Russen durften nicht mitspielen, dann machen sie die Spiele halt für alle anderen auch kaputt. Hat aber nicht geklappt.

01:02:21 Christian Dietrich: Wir haben eben gesehen, dass es sich hier um eine False Flag Operation handelt, die als solche erkannt wurde und ich finde, da kann man manchmal ganz gut einen Vergleich ziehen. Nämlich welche neuen Techniken sich mit der Zeit entwickeln. Und was die in der Analyse für Unterschiede zur Folge haben. Und ich vergleiche das immer ganz gerne so mit der DNA Analyse bei klassischen Verbrechen. Also quasi in der klassischen Forensik wurden halt irgendwann DNA Analysen entwickelt, und man hatte auf einmal Möglichkeiten, Fälle aufzudecken, die man vielleicht bis dahin mit den zur Verfügung stehenden Mitteln einfach nicht aufdecken konnte. Wir haben ja hier in diesem konkreten Vorfall, also Olympic Destroyer, über den PE Rich Header gesprochen und diese PE Rich Header Analyse. Und da finde ich eine Sache ganz wichtig. Nämlich es gab da einen Forscher von Kaspersky, der sich wahrscheinlich schon so oft Rich Header angeschaut hatte, dass er in dem Moment, wo er realisiert hat, hier sollen Byte-gleiche Rich Header vorliegen, da hat er eben gesagt, das kann nicht sein. Und genau dieses Gefühl, dieser Erfahrungswert, der hat ihn dann ein bisschen dazu verleitet, sich das noch genauer anzuschauen. Und hat da wirklich so herausgearbeitet, dass das hier vermutlich eben eine False Flag Operation ist, in der Folge. Jetzt könnte man sagen, diese Rich Header Analyse, die haben vereinzelt sicherlich Leute bis dahin überhaupt schon gemacht. Aber das war zu dem Zeitpunkt kein Analysemittel was in der Community ständig diskutiert wurde.

01:03:55 Lars Wallenborn: Und ich glaube noch nicht mal, dass das daran lag, dass das irgendwie geheim gehalten wurde oder so. Ich glaube einfach, Leute haben das gelegentlich mal gemacht, und nicht so sehr drüber nachgedacht, dass es so ein mächtiges Tool sein kann. Und von solchen Sachen gibt es glaube ich ganz ganz viele – na ja, die man einfach so macht und erst wenn man mit jemand anders drüber redet und feststellt, oh ja, das ist ein super mächtiges Werkzeug und so weiter.

01:04:14 Christian Dietrich: In der Folge muss man glaube ich aus heutiger Perspektive sagen, diese Rich Header Analyse, die wird halt einfach immer gemacht. Die lässt man nicht mehr außen vor. Und wiederum in der Folge heißt das natürlich, dass wahrscheinlich Akteure, die heute eine False Flag Operation planen, sich dessen wohl bewusst sind und dass man vielleicht diese Methode so in der Form nicht notwendiger Weise nochmal verwenden kann. Aber darum soll es hier gar nicht so en Detail gehen. Es geht eher darum, wie interessant es eben ist, wenn man solche neuen Techniken mal so wirklich zum Einsatz bringt. Und natürlich kann man diese Techniken auch retrospektiv auf eine ganze Reihe anderer Fälle anwenden. Und das wurde eben auch vielfach gemacht, um sozusagen retrospektiv sich anzuschauen beispielsweise, wie sich Malware zusammen setzt und ob es da Konsistenzen oder Inkonsistenzen gibt.

01:05:03 Lars Wallenborn: Hier gibt es übrigens noch ein ganz interessantes Asymmetrie Verhältnis. Man sagt ja eigentlich immer, es gibt eine Asymmetrie zwischen Angreifern und Verteidigern, dass die Angreifer nur einmal reinkommen müssen und die Verteidiger alles absichern müssen. Das ist quasi unfair für die Verteidiger. Aber es gibt jetzt hier auch noch ein anderes Asymmetrie Verhältnis zwischen Angreifern die False Flag Operationen durchführen und Verteidiger Analysten, die diese Operationen analysieren. Weil hier müssen die Angreifer jetzt gegen jede dieser Analysetechniken alles richtig machen und die False Flag Operation richtig durchführen, die Rich Header richtig machen. Die müssen, weiß ich nicht, alles andere, was da sonst noch so rum fleucht an Techniken, korrekt handeln und korrekt False Flagifizieren. Weil wenn sie nur an einer dieser Stellen was falsch machen, dann fällt das auf, und dann kann man sagen, das spricht alles dafür, aber das könnte auch alles gefälscht sein hier an dieser Stelle, das spricht dagegen und so weiter. Also das ist eine ganz hoffnungsschaffende Asymmetrie. Nicht ganz so düster wie die andere mit den Verteidigern und Angreifern.

01:05:59 Christian Dietrich: Solche False Flag Operationen sind ja insgesamt super interessant. Und ich habe mich da mal gefragt, ob man so eine Attributions-Fall-Unterscheidung machen kann. Also was ich meine ist, in dem Moment wo du als Analyst, als Intelligence Analyst, da anfängst irgendwie so einen Fall aufzuarbeiten, da machst du ein Clustering. Also du versuchst die ganzen Artefakte und Observables, die du hast, zu sortieren und für dich irgendwie zu gliedern und zu strukturieren. Aber natürlich gibt es Fälle, da hast du einfach zu wenig, um in die sogenannte Charging Phase der Attribution einzusteigen. Das heißt, du hast im Prinzip einfach nichts, um zu attributieren. Du kannst super kategorisieren, du kannst super sortieren, aber du hast nichts um zu attributieren. Und wahrscheinlich denken viele, das ist der häufigste Fall. Ich weiß gar nicht, ob man das quantifizieren kann, das passiert bestimmt ziemlich häufig. Es gibt da ja auch unterschiedliche Nomenklaturen. Also es gibt ja zum Beispiel diese Unnamed Cluster, die ich glaube maßgeblich Mandiant da benutzt. Also UNC ist da so dieser Prefix. Also das ist quasi dieser Fall Eins. Der nächste Fall ist, die Attribution klappt nicht, weil es eben nur vereinzelte, sehr wenige Indikatoren gibt. Also ich sage mal, so plakativ könnte man sagen, ja das ist diese eine IP, die ist irgendwie aus Südkorea, also gibt es da irgendwie einen Südkorea Bezug, aber wir wissen eigentlich, das ist irgendwie nicht stichhaltig. Das ist aber das einzige was wir haben. Da denken wahrscheinlich auch viele, dass das ganz häufig der Fall ist und das ist wahrscheinlich auch so. Man könnte vielleicht sagen, wenn man an so einen Akteur wie Fancy Bear denkt, dann war das vielleicht so 2009/2010 herum, da war das vielleicht irgendwie zumindest im Industry Reporting vielleicht so der Fall. Man hat da so eine Idee, aber das ist nicht mit den Maßstäben, mit denen man vielleicht vernünftig Attribution betreibt, ist das irgendwie einfach nicht verlässlich. Und der dritte Fall ist, man hat genug, und es ist schlüssig. Wenn man bei Fancy Bear vielleicht mal bleibt, dann kann man sagen, ich würde sagen,  spätestens 2018 war weitestgehend in der Industry – also sowohl in der Industry, als auch eben in den staatlichen Organen die Sichtweise relativ klar, man konnte diese Operation attributieren. Man hat also mehrere Indikatoren, die Attribution erlauben, in vielen Dimensionen, diese Attributionsmodelle, die es da gibt, und die geben vor allem auch ein einheitliches schlüssiges Bild. Und dann gibt es aber den letzten Fall, also den vierten Fall. Und der ist interessant und der geht in diese Richtung, False Flag Operationen. Und der ist vielleicht, wenn man den ein bisschen allgemeiner fasst…

01:08:28 Lars Wallenborn: Ich unterbreche dich jetzt einfach mal. Ich würde nämlich eigentlich sagen, diese drei ersten Fälle, die sind eigentlich alle der gleiche Fall. Weil ich meine, so läuft das doch immer. Also du wachst nicht plötzlich auf, hast überhaupt kein Verständnis von Cyber Threat Landscape und hast dann viele, genug und schlüssige Attributionsinformationen. Das ist ja immer ein Prozess. Du fängst immer an und hast keinen Anpack. Und… also nicht in jedem Fall. Also wenn du einfach sonst keinen Kontext hast, hast du erst einmal keinen Anpack. Und je mehr du eine Übersicht über die Gesamtlandschaft bekommst, desto mehr Anpack kannst du auch überhaupt haben. Desto mehr Rezeptoren hast du an allen Ecken und Enden. Desto mehr ja, dieses Mörder Board, desto mehr Pins hast du da drin, zu denen du Fäden ziehen kannst, die du vorher nicht ziehen kannst. Und das wird mit der Zeit auch immer mehr und das liegt auch an diesem Asymmetrie, von der ich gerade gesprochen habe. So ein Akteur, der muss halt nur einmal einen Fehler machen, und einmal versehentlich sich nicht in ein VPN einloggen, wenn er mit dem Server redet, oder was auch immer. Und wenn das einmal passiert, dann hat man wieder so etwas. Und das heißt, je länger man die gleiche Aktivität trackt, desto mehr schlüssige Informationen hat man. Aber ich würde eigentlich sagen, diese drei Fälle – ja, diese drei Fälle gibt es, aber die sind eigentlich nur eine Konkretisierung eines Prozesses, der halt stattfindet.

01:09:41 Christian Dietrich: Ja, das kann man so sehen. Aber andererseits, also im Grunde bin ich da auch bei dir, weil klar, in den meisten Fällen – also je länger du einen Akteur trackst, um so höher, würde ich auch sagen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass du ihn verlässlich attributieren kannst. Trotzdem haben wir eine ganze Menge an Akteuren oder Clustern, die bis heute Unnamed Cluster geblieben sind. Und wo ich mir auch fast sicher bin, die werden wir in Zukunft nicht verlässlicher attributieren können. Ich glaube, es gibt schon eine ganze Menge Fälle, die verbleiben in diesen anderen Fällen, also kein Anpack oder zu wenig oder nicht schlüssig und so weiter – und sich das mal bewusst zu machen ist glaube ich auch völlig in Ordnung. Das muss ja nicht heißen, dass Attribution grundsätzlich nicht möglich ist, oder nicht sinnvoll ist, sondern…

01:10:23 Lars Wallenborn: Nein, man muss natürlich Prioritäten setzen. Also wenn man jeden Akteur immer trackt, dann braucht man unglaublich viele Ressourcen und die hat man eventuell gar nicht zur Verfügung. Also irgendeine Priorisierung muss man halt machen.

01:10:34 Christian Dietrich: Genau. Der letzte Fall, den ich noch ganz kurz anschneiden wollte, wo es in die Richtung False Flag geht, das ist vielleicht der Fall, wo es zu viele, aber in viele verschiedene Richtung gehende Indikatoren gibt. Ja, oder Attributionsansätze. Das heißt, die Attribution klappt nicht, weil sie zu widersprüchlich ist. Nicht weil man zu wenig hat, sondern weil man genug hat, aber es ist einfach zu widersprüchlich und das könnte vielleicht der Versuch gewesen sein, hier so ein bisschen zu bezwecken. Das heißt, dass man nicht nur die falsche Fährte in Richtung Nordkorea legt, sondern man wollte eben möglicherweise bewusst, auch noch eine falsche Fährte in Richtung China legen und da auch noch hinsichtlich mehrerer Akteure. Wir wissen nicht genau, ob das bewusst oder unbewusst passiert ist an der Stelle. Und nur um einfach mal ein zweites Beispiel vielleicht zu geben, wäre an der Stelle Cloud Atlas, ein Akteur, der sich da an der Stelle vielleicht ähnlich gebart hat. Okay, genug von diesen ganzen theoretischen Modellen, zurück zum Fazit. Vielleicht kann man sagen, wenn man das ganze im zeitlichen Verlauf noch einmal betrachtet, dann zeichnet sich ein verhältnismäßig klares Bild. Also vielleicht fängt man 2014 an, wir haben die Olympischen Winterspiele in Sotschi, Russland gewinnt die meisten Medaillen, super viele Erfolge, das war im Februar 2014 glaube ich, und einen Monat später im März, beginnt Putin die militärische Auseinandersetzung mit der Ukraine, die mal eben die Krim besetzt, zunächst ja verdeckt, aber das artet ja dann aus irgendwie zu einer tatsächlichen militärischen Auseinandersetzungen. Im Dezember 2017 wird Russland suspendiert von den Olympischen Winterspielen 2018, das sind die nächsten Olympischen Winterspiele…

01:12:14 Lars Wallenborn: Oder ein anderer Grund oder eine andere Motivation warum man so einen destruktiven Angriff gegen die Olympischen Spiele macht, kann halt auch so ein Drohgebaren sein. Das passt ja auch irgendwie gut in das russische Klischee, so von wegen: Ja, lass uns lieber mitspielen, sonst machen wir das für alle kaputt.

 01:12:27 Christian Dietrich: Haben wir ein Schlusswort, Lars?

01:12:29 Lars Wallenborn: Ja, wir haben ein Schlusswort. Also die Verteidigung hat hier super geklappt, die Attribution hat zumindest mit etwas Zeit gut geklappt, sogar eine False Flag Operation wurde quasi durchschaut, und das ist sehr gut und das ist sehr wichtig. Also das spielt in diesem Themenkomplex Resilienz mit rein, das ist halt auch eine Art und Weise, sich im Cyberspace zu verteidigen, indem man dafür sorgt, dass man vorbereitet ist auf Angriffe, dass man die dann handeln kann korrekt und dass man im Nachgang auch feststellen kann, wer war es und dann auch eventuell – wie jetzt auch in dem Fall – Anklage erheben kann.

01:13:06 Christian Dietrich: Ja. Dieser Vorfall ging als Olympic Destroyer, wahrscheinlich eben in die Cyber Geschichtsbücher ein, und wenn man so will, ist vielleicht eines davon das Buch „Sandworm” von Andy Greenberg. Vielleicht kann ich an der Stelle mal kurz ein bisschen Werbung machen. Wir haben bei uns an der Westfälischen Hochschule einen Master Studiengang, Internetsicherheit, wenn man irgendwie Informatik-affin ist und einem solche Themen, wie hier Fragen zur Attribution und zur technischen Analyse von Cybervorfällen und Malware liegt, dann ist das vielleicht irgendwie ganz interessant. Das war es auch mit dem Werbeblog. Ja, die Folge ist etwas länger geworden. Das war aber auch Absicht. Wenn euch das so gefallen hat, dann lasst uns doch vielleicht irgendwie Kommentare auf Twitter da…

01:13:45 Lars Wallenborn:  @armchairgators ist unser Handle auf Twitter. Oder ihr könnt uns natürlich auch erreichen über unsere Webseite armchairinvestigators.de.

01:13:54 Christian Dietrich: Es hat uns gefreut, wenn ihr bis jetzt drangeblieben seid, und bis zum nächsten Mal.

01:13:58 Lars Wallenborn: Tschüss.

01:14:00 Christian Dietrich: Ciao.